Tod einer Queen
hoch und verschwand aus dem Blickfeld .
»Lausige Nacht«, sagte Ferrini, um die Stille zu überbrücken .
»Ja. «
»Aber normaler Betrieb. Was für eine Art, sein Geld zu verdienen! In einer solchen Nacht halbnackt im Freien zu stehen. Gibt einem zu denken. «
»Ja. «
»Geht Ihnen was durch den Kopf? «
»Nein, nein… «
»Sie grübeln hoffentlich nicht noch immer über den Jungen! Von seiner Sorte gibt’s Hunderte. «
»Ja. Nein, nicht über ihn… ich hab an seine Mutter gedacht. Ich hätte nie gedacht…» »Was soll man da schon erwarten! Wenn der Junge anders aufgewachsen wäre, würde er jetzt nicht hier stehen. «
»Ja. Sie haben natürlich recht. «
Er hatte wirklich recht. Man mußte nur innehalten und eine Minute nachdenken, um sich darüber klarzuwerden. Aber er hatte eben nicht innegehalten und nachgedacht. Erfüllt von selbstgerechtem Zorn, der von der Empörung der temperamentvollen Frau bald überwältigt wurde, hatte er zum Telefonhörer gegriffen. Nachdem er seine Mitteilung gemacht hatte, hatte sie bloß Luft geholt und ein, zwei Sekunden geschwiegen. Dann waren rüde Beschimpfungen aus ihr hervorgeplatzt .
»Das kleine Drecksstück! Dieser verdammte kleine… verdient Geld wie Heu! Deshalb will er mit seiner Familie nichts zu tun haben! Er verdient sich ‘ne goldene Nase, und machen Sie mir nichts vor, ich weiß nämlich, was sie da treiben, sogar in Florenz. Und für seine Mutter hat der kleine Scheißer noch nie etwas rausgerückt. Also, bin ich nun seine Mutter oder nicht? Es ist pervers! Jesus, Maria und Josef, so wird es einem gedankt, wenn man Kinder in die Welt setzt. Wenn ich noch mal von vorn anfangen könnte… «
»Das Schlimmste ist, es stimmt wahrscheinlich… «
»Wie bitte? «
»Daß der Junge ihr nie erzählt hat, was er treibt, damit sie nicht an sein Geld rankommt, und weniger aus Scham. «
»Schon möglich. Haben Sie nicht gesagt, seine Mutter ist Prostituierte? Das Gefühl, für ein besseres Leben bestimmt zu sein, dürfte er wohl kaum haben. «
Der Wachtmeister schwieg und verkroch sich noch tiefer in seinen Mantel. Beide warteten .
Sie mußten nicht lange warten. Eine Viertelstunde höchstens, und dann kam ihnen auf der anderen Fahrbahn eine weiße Limousine entgegen, bremste nur so viel, daß der pelzbekleidete Insasse herausspringen konnte, scherte aus und entfernte sich in hohem Tempo .
Alles wäre wohl ganz anders verlaufen, wenn nicht irgendwo hinter ihnen, für sie nicht zu erkennen, ein anderer Freier geparkt hätte, der ebenfalls auf Peppina wartete. In dem Moment, als das weiße Auto davonbrauste, kam er heran und verstellte ihnen die Sicht auf Peppina. Wenn das nicht passiert wäre, wenn sie nicht hätten befürchten müssen, daß er abermals mitgenommen würde, wären sie nicht alle vier herausgesprungen und über die Straße gerannt, und Ferrini hätte nicht gebrüllt .
Als erster geriet der Freier in Panik. Er fuhr los, daß die Reifen qualmten, und mit der noch halb geöffneten Beifahrertür schrammte er während des Überholens einen anderen dahinschleichenden Wagen. Peppina zögerte, aber nur kurz. Als sie die andere Straßenseite erreichten, hatte er schon die Flucht ergriffen, lief mit wehendem Pelzmantel unter den Bäumen entlang, gefolgt von Bruno und dessen Kollege. Der Wachtmeister, der über derlei Dinge hinaus war und aufgrund seiner Leibesfülle nie ein großer Läufer gewesen war, blieb ruhig auf dem Rasenstück stehen. Ferrini stürzte den anderen hinterher. Er war jünger und schmaler als der Wachtmeister, aber gewiß mehr von Begeisterung als von seriöser Absicht getrieben. Wie auch immer, der Wachtmeister stand allein da. Die kleine Episode, die fast schon zu Ende war, bevor sie recht begonnen hatte, schien sich auf das Geschäft nicht auszuwirken. Der Mann, dessen Auto geschrammt worden war, beugte sich aus dem Fenster, um zu fluchen und obszöne Gesten zu machen, aber sonst schien niemand etwas bemerkt zu haben .
Der Wachtmeister spähte durch die regenfeuchte Schwärze, konnte aber nichts erkennen. Hinter den Bäumen verlief, wenn er sich recht erinnerte, eine zweite, schmalere Straße und gleich daneben ein Fahrradweg. Dann kam ein rasenbegrünter Uferhang, der steil zum Fluß abfiel. Aber hinter den Bäumen direkt vor ihm war nichts zu sehen. Vorsichtig tastete er sich vorwärts, hielt dabei eine Hand vor das Gesicht, um es vor unsichtbaren Zweigen zu schützen. Zuerst hörte er nur das Motorengebrumm auf der
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