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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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gezogen. Finger- und Fußnägel waren glitzernd malvenfarben
     lackiert, die Beine gebräunt. Auf dem einen Knie hatte sie eine winzige weiße Narbe. Sie drehte eine Lonicera-Blüte zwischen
     den Fingern, und Fletcher konnte den Duft riechen.
    »Na schön. Also, wie lebt es sich so in England, Olga?«
    Das veranlasste sie, mit einem grimmigen Lächeln aufzublicken, bei dem ihre Wangenknochen sogar noch breiter wirkten. Sie
     schüttelte langsam den Kopf und schob sich dann das Haar aus dem Gesicht. Sie trug einen schweren Verlobungsring und ihren
     Ehering, sonst aber keinen anderen Schmuck und keine Uhr. Sie lehnte sich gegen die Rückenlehne der Bank, und der Ausschnitt
     ihres Kleides öffnete sich ein Stück. Als sie Fletchers Blick mit ihren grauen Augen festhielt, blitzten einen Moment lang
     Jakes Bleistiftskizzen vor ihm auf.
    »Das Leben ist nicht so, wie ich es erwartet hatte«, antwortete sie.
    Ein leichter, ein wenig rauer Akzent. Wie konnte Crispin nur zulassen, dass Jake weiter bei ihm im Haus wohnte, dachte Fletcher.
     Er wollte zu seiner eigentlichen Frage kommen –
Was zum Teufel hat Jake hier getrieben? – ,
aber sie drehte noch immer die zierliche Lonicera-Blüte zwischen den Fingern.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte er.
    Sie blickte auf den Baumfarn im Kübel hinter der Bank.
    »Inspector, wissen Sie, was Crispin für diese Pflanze bezahlt hat? Neunzig Pfund, also hundertunddreißig Dollar. Wissen Sie,
     was ein guter Arzt in Russland verdient? Sechstausend Dollar im Jahr.«
    »Aber einige Russen sind doch reich, oder nicht? Zumindest liest man das bei uns in der Zeitung.«
    »Oh, gewiss. Hier weiß man ganz genau über uns Bescheid; dass wir in Russland alle in der Mafia sind.«
    »Von der Mafia hatte ich nicht gesprochen.«
    Sie starrte auf die Blüte in ihrer Hand und drehte sie langsamer.
    »Wenn ich in Ely einkaufen gehe, starrt man mich an. Ich höre, wie die Leute hinter mir hertuscheln.«
    »Wahrscheinlich sind sie neidisch.«
    Sie lächelte wieder ihr trauriges Lächeln, noch immer den Blick nach unten gerichtet. »Ich habe meine Familie in Russland,
     Inspector. Ich bin die älteste Tochter. Mein Vater besitzt eine kleine Autowerkstatt. Wissen Sie, was sein Traum ist?« Sie
     sah ihn an. »Er hätte gern ein Haus mit einem Garten und einem Gartentor, das man abschließen kann. Das ist sein Lebensziel.«
    Entweder schüttete sie ihm ihr Herz aus, oder sie verbarg etwas vor ihm. Vielleicht war das für Olga auch ein und dasselbe.
    »Olga, erzählen Sie mir von Jake.«
    »Jake? Englisch und exzentrisch, sehr einnehmend. Auch er hatte seine Ziele, wissen Sie.«
    »Was denn für welche?«
    »Er entwickelte eine neue Art Traktor. Er sagte, der würde mit Sonnenenergie und Pflanzenöl laufen. Er wollte ihn in Brasilien
     testen lassen.«
    »Ein guter Plan.«
    »Ja, damit die Brasilianer mit Sonnenenergie ihren Urwald vernichten können.«
    »Wie gut haben Sie ihn gekannt?«
    »Ich weiß genau, was Sie denken, Inspector Fletcher. Ich mochte ihn, er hat mich zum Lachen gebracht. Er mochte
Unten am Fluss
, und ich mag das Buch auch.«
    »Standen Sie sich nahe?«
    »Wir waren Freunde, okay?«
    Fletcher stellte sich das Tiffany-Armband an ihrem Handgelenk vor. Jake hatte ein ausgezeichnetes Gefühl für optische Wirkung
     gehabt.
    »Hat er in letzter Zeit irgendwie Geld in die Hand bekommen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Hat er sich jemals mit Ihnen über Thinbeach und die Geschichte des Ortes unterhalten?«
    Die Lonicera-Blüte verharrte in Olgas Hand, und die Russin blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen darauf nieder.
    »Manchmal haben wir über dieses kleine, wohlhabende Dorf gelacht, lauter Reiche, die die Zeit totschlagen.«
    »Hat er jemals mit Ihnen über Billy Breakman und Breakman Machinery geredet?«
    »Warum?«, fragte Olga die Lonicera.
    »Sie haben sich also darüber unterhalten?«
    Es war schwül im Wintergarten und Fletcher spürte, wie ihm der Schweiß in den Nacken rann. Er sah ein schwaches feuchtes Glänzen
     in Olgas Halsgrube.
    »Hat er mit Ihnen über Leute geredet, die Billy kennt oder früher kannte?« Oben am Himmel dröhnte ein Flugzeugmotor. »Olga,
     hören Sie. Sie wissen, dass ich in Jakes Zimmer war. Ich habe das Wandbild gesehen, und auch alles andere. Sie hätten die
     Sachen mühelos verschwinden lassen können, aber das haben Sie nicht getan. Warum nicht?« Das Summeneiner Fliege. »Jake ist auf schreckliche Weise gestorben. Sehen Sie mich an, Olga.

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