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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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für den, der sie genauer kannte,
     oft einen sehr bitteren Geschmack hatte. Er stützte sich aufs Geländer und spürte, wie der Schweiß auf seiner Brust kühl wurde.
    Zwei junge Frauen paddelten in Kajaks unter der Brücke durch, ihre schmalen Boote schnitten gerade Linien ins Wasser. Eines
     der Mädchen blickte lächelnd zu Fletcher auf, und er lächelte zurück, bevor das Boot sie davontrug.
    Der Schredder. Als Teversham die Leiche fand, versteckte er die Videokassette – in einem Anfall von Panik? Oder aus Angst,
     dass darauf etwas Kompromittierendes zu sehen war? Aber es war nichts darauf, was Teversham irgendwie schaden konnte. Dennoch
     ging der Wachmann mit seinen Sorgen über Breakman Machinery zu Alain de Minching und fuhr sich anschließend tot.
    Vielleicht hatte Iwan erst da mitbekommen, dass mit seinen Nachforschungen in Thinbeach etwas schieflief. Er schickte also
     Berlitz auf die Suche nach Fletcher und drohte Olga schreckliche Dinge an, falls sie etwas ausplaudern sollte. Das Problem
     für Olga war allerdings, dass sie schon geplaudert hatte. Und weil sie wollte, dass die Welt die Wahrheit erfuhr, hatte sie
     Jakes Zimmer nach seinem Tod nicht angetastet und die Kassette vor Fletchers Nase auf ihren Schreibtisch gelegt.
    Warum war sie auf Breakman angesetzt worden?
    Fletcher lief wieder los und über den menschenleeren Bürgersteig der Trinity Lane zurück. Er machte einen Umweg über den Marktplatz,
     wo gerade die ersten Stände aufgebaut wurden. Vor einer fahrbaren Frühstücksbude, die hier jeden Morgen stand, blieb er stehen.
     Der Besitzer nickte ihm durch den Qualm des brutzelnden Specks zu. Er war ein Pole reiferen Alters mit eindrucksvollem Schnurrbart
     und durchdringendem Blick. Alle nannten ihn Stan.
    Stan hatte zwanzig Jahre lang in Cambridge gelebt, sieben Tage die Woche gearbeitet und eifrig gespart, weil er davon träumte,
     dass sein Sohn die Cambridge University besuchen würde. Im vorigen Jahr hatte der Junge die Schule mit besten Noten abgeschlossen
     und anschließend den Führerschein gemacht. Dann hatte er auf der Barton Road einen Unfall gehabt.
    Stan stellte Fletcher einen Becher mit Tee hin, der braun wie altes Eichenholz war.
    »Ihnen liegt was auf dem Herzen«, sagte er.
    Fletcher nickte. Allmählich belebte sich der Platz: Händler, Straßenkehrer und Leute, die früh zur Arbeit gingen. Der Tag
     begann.
    »Stellen Sie sich mal jemanden vor, Stan. Einen gewalttätigen Mann. Etwas veranlasst ihn, seine Heimat zu verlassen und Tausende
     von Meilen in ein winziges Dorf in Cambridgeshire zu reisen, wo er, wie er sagt, die entscheidende Aufgabe seines Lebens vor
     sich hat. Was könnte das sein?«
    Stan wendete ein paar Eier, piekste mit einer Gabel in die Würstchen und grübelte vor sich hin. Innerlich war er weit weg
     – vielleicht in der Barton Road. Er würzte mit etwas Pfeffer.
    »Er sucht etwas, was er verloren hat. Er ist ein gewalttätiger Mann, aber er sucht Frieden.«
     
    Bevor Sal Moresby zur Polizei ging, hatte sie sich die Besprechungsräume dort als enge, laute Zimmer vorgestellt, in denen
     alle Kaugummi kauten und mit Kürzeln um sich warfen. Da hatte sie recht gehabt: fast überall war es genau so. Doch im Büro
     von Detective Superintendent Webley, Fletchers unmittelbarer Vorgesetzten, sah es anders aus. Und Webley war tatsächlich eine
     Beamtin, die vieles anders machte.
    Ihr Büro lag im obersten Stock, und die Fenster wurden von den Kronen der Bäume beschirmt, die auf dem Parker’s Piece wuchsen
     und deren Blätter sich jetzt leise vor dem zartblauen Morgenhimmel regten. Der Raum war ruhig und kühl, und in der Ecke summte
     ein Ventilator, damit es auch kühl blieb. Die eine Wand war als Projektionsleinwand hergerichtet, und neben einem Kassettenrecorder
     stand ein Digitalprojektor. Um einen Seitentisch standen Stühle, doch niemand saß auf ihnen. Eine volle Kaffeekanne auf dem
     Tisch war noch gänzlich unangetastet.
    Sal wusste inzwischen, wie Fletcher und Webley zusammenarbeiteten. Dieser Vormittag war typisch: Wenn die beiden ein Problem
     besprachen, standen sie dicht beieinander, platzten immer wieder mit ihren Gedanken heraus, schauten sich oft lange an, dachten
     schweigend nach und nahmen den Faden dann wieder auf. Es war eine ungewöhnliche Arbeitsweise, aber Fletcher und Webley hatten
     auch ein ungewöhnlich enges Verhältnis, obwohl Fletcher seine Vorgesetzte immer sehr förmlich anredete und diese oft ziemlich
     kurz

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