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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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darin.

Mittwochabend
    Dort, wo die Straße lang und gerade auf das Thinbeach Fen zulief, erblickte Fletcher, halb geblendet von der Nachmittagssonne,
     weiter vorn einen schnell fahrenden Wagen: einen Volvo, der, eine Staubwolke aufwirbelnd, in die Zufahrt von Deep House einbog.
    Er folgte ihm über den von Weiden und Farnen gesäumten kurvigen Weg, bis er den Vorplatz unterhalb des Hauses erreichte. Der
     Volvo stand dort, schief geparkt und mit offener Tür. Sonst war kein Fahrzeug zu sehen. Die einzigen Geräusche waren das Rascheln
     des Schilfs und Vogelrufe. Die gläserne Eingangstür oben an der Rampe stand halb offen. Als Fletcher nach drinnen spähte,
     begriff er die Situation nicht sofort.
    Dort stand Berlitz, die Margolin mit dem schwarz schimmernden Lauf in der gesenkten Hand.
    »Treten Sie bitte ein, Polizist.«
    Sobald Berlitz die Glastür hinter ihm geschlossen hatte, erblickte Fletcher Thomas Denton, der an der Wand gegenüber stand,
     mit zuckenden Händen und hektisch hin und her schießendem Blick.
    Dann erst sah Fletcher, warum.
    Das Haus umschloss von drei Seiten einen kleinen, nach hinten gelegenen Hof. Hohe Glaswände umgaben eine quadratische Fläche
     mit Marmorplatten, einem Bronzebrunnen und einem exotischen Busch, der so lebhaft leuchtete wie der sich im Glas spiegelnde
     Abendhimmel. Auf dem Hof, durch eine geschlossene Glastür abgeschirmt, befanden sich Judith und Iwan.
    Sie saßen einander auf einer Stahlbank gegenüber. Ganz in ihr Gespräch vertieft, beachteten sie niemanden ringsum. Fletcher
     bemerkte, dass sie weder stritten noch einander bedrohten. Es kam ihm so vor, als erklärte Iwan Judith etwas, wobei er ihr
     in die Augen blickte. Judith hörte kopfnickend zu, stellte hier und da eine Frage und hob die Hand, wenn sie ihn unterbrechen
     wollte.
    Eine Libelle schwirrte mit stahlblauen Flügeln über dem Brunnen.
    Gleich darauf schien das Gespräch beendet. Iwan stand auf und schüttelte Judith die Hand. Er neigte den Kopf, blieb einen
     Moment lang so stehen und sagte etwas. Judith nickte, noch immer seine Hand in ihrer. Iwan drehte sich um, öffnete die Tür
     und trat ins Haus.
    Er sah so aus, wie Fletcher ihn in Erinnerung hatte, nur dass er jetzt statt der Nadelstreifen einen Tarnanzug über den glänzend
     polierten Stiefeln trug. Da waren die schreckliche Narbe unter dem Kinn, das kantige Gesicht und die mandelförmigen Augen,
     mit denen er jetzt den Raum musterte. Falls er überrascht war, die neu Hinzugekommenen zu sehen, ließ er sich nichts anmerken.
     Er betrachtete Denton einen Moment lang wortlos, nickte dann Fletcher zu und bedeutete Berlitz mit einer Geste, ihm zu folgen.
    Denton ging quer durch den Raum drohend auf Iwan zu. Der drehte sich um. Berlitz entsicherte seine Margolin mit einem rasselnden
     Geräusch, das wie das Klappern von Knochen klang. Durch die Glaswand hinter den beiden sah man, wie sich die Wolken im Abendrot
     verfärbten.
    Denton blieb stehen und zog die erhobene Hand zurück, hielt aber den Blick weiter auf Iwan gerichtet.
    »Was haben Sie eben zu meiner Tochter gesagt?«
    Iwan blickte ihn mit ausdrucksloser Miene an. »Fragen Sie sie selbst. Sie ist eine gute Zuhörerin.« Er warf Fletcher einen
     Blick zu. »Sie wird Ihnen alles sagen.«
    Dann gab er Berlitz wieder das Zeichen zum Aufbruch, und sie traten durch die Tür in die untergehende Sonne. Berlitz drehte
     sich auf der Schwelle noch einmal um, um einen letzten Blick auf Denton zu werfen, bevor er die Pistole unter seine Jacke
     steckte. Man hörte, wie hinter den Bäumen in der Nähe des Hauses ein mächtiger Motor grollend ansprang. Das Motorengeräusch
     verhallte langsam auf der Zufahrt.
    Judith trat ins Haus und setzte sich, das gescheitelte Haar ein Vorhang zu beiden Seiten ihres Gesichts. Sie sah ihren Vater
     an. Fletcher sah Sonnenstäubchen trudeln. Er meinte die Bewegung der winzigen Staubteilchen fast hören zu können.
    »Wer war das? Wie sind sie ins Haus gekommen?«, fragte Denton.
    »Ich weiß nicht, wer sie sind. Ich habe sie hereingelassen. Der eine sagte, dass er mit mir reden wollte.«
    Denton ballte die Fäuste. »Worüber?«
    »Über etwas, das ich seiner Meinung nach wissen sollte. Aus seiner Kindheit.«
    »Verdammt noch mal, aus seiner Kindheit?« Denton wandte sich an Fletcher. »Sein Freund hatte eine Waffe, haben Sie die nicht
     gesehen? Warum rufen Sie nicht die Hubschrauber und so?«
    »Keine Angst, wir schnappen uns die beiden. Im Moment möchte ich

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