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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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allerdings wissen, was hier los ist. Was hatte er Ihnen zu
     sagen, Judith?«
    Judith schloss einen Moment lang die Augen. Sie lehnte sich zurück, legte die Hände auf die Knie und erzählte Iwans Geschichte.
     Sie begann genau wie er mit dem Pioniermädchen in der Halle der Sowjetischen Errungenschaften. Als Nächstes erzählte sie von
     der Wohnung in Stawropol und wie Iwan seinem Vater am Küchentisch zugehört hatte, während der Schnee hinter den qualmenden
     Schloten der Niva-Werke auf die Osteuropäische Ebene fiel.
    Während sie sprach, beobachtete Fletcher durch die riesigenGlasfenster, wie die Wolken sich noch tiefer rot färbten. Er dachte an Iwan, den Mann mit der Narbe unterm Kinn, der als Kind
     seinen Vater angebetet hatte. Einen Moment lang dachte er auch an die Electric Mile.
    Judith ließ die Geschichte in der Küche in Stawropol enden, wo ein kommunistischer Parteifunktionär sich auf die roten Lippen
     biss und auf seine lederne Aktentasche blickte.
     
    In den wenigen Sekunden, in denen der Funktionär zögerte, verstand Iwan plötzlich. Er konnte wieder hören und vernahm den
     Atem seiner Mutter. Dann griff der Parteifunktionär zum letzten Mal in seine Tasche.
    »Und außerdem noch das hier« , sagte er. »Das war auch bei seinen Sachen.«
    Er nahm den Gegenstand aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. Er lag dort zwischen all dem, was seinem Vater gehört hatte.
     Iwan hörte, wie der Küchenstuhl über den Boden schrappte, als seine Mutter aufsprang. Sie zeigte auf das Ding und sagte: »Nehmen
     Sie das weg.«
    Der Parteifunktionär blickte verwirrt drein. Iwans Mutter wurde lauter und schrie schließlich gellend, er solle es wegnehmen.
     Die Nachbarin ließ Iwans Schultern los und versuchte, seine Mutter in den Arm zu nehmen, doch die schrie weiter mit weit aufgerissenen
     Augen, während der Speichel aus ihrem Mund sprühte.
    Iwan nahm das Ding vom Tisch. Es spürte, dass etwas Böses daran haftete, an diesem Gegenstand, der aus irgendeinem Grund bei
     der Leiche seines Vaters gelegen hatte. Er rannte damit aus der Wohnung. Die Türen anderer Wohnungen öffneten sich, als er
     das Treppenhaus hinunterstürmte. Dann war er draußen und schoss über den Schnee, vorbei an dem Sputnik-Klettergerüst und dem
     Arbeiterdenkmal, und der Atem stach ihm hart und kalt in der Brust. Er rannte auf die Eisfläche des Staubeckens hinaus. Unter
     der Schneedecke
war das Eis hart wie Beton. Er überquerte es rutschend und stolpernd und kletterte auf der anderen Seite die Uferböschung
     hinauf.
    Er blickte über die Gleisanlagen und das Niva-Werk und atmete den Rauch der Fabrikschlote ein. Keuchend stand er da und betrachtete
     den Gegenstand, den der Parteifunktionär auf den Tisch gelegt hatte.
    Und er begann darüber nachzudenken, was er einmal tun würde.
     
    In dem Haus am Schilfufer des Sees herrschte Schweigen. Denton lehnte noch immer an der Wand, den Blick auf seine Tochter
     geheftet. Judith blickte auf.
    »Dort endete seine Geschichte«, sagte sie.
    »Was war es denn?«, fragte Fletcher. »Was war dieser letzte Gegenstand in der Tasche?«
    »Das hat er mir nicht gesagt. Er nannte ihn nur
das Ding.«
    »Und wie ist sein Vater gestorben?«
    »Das habe ich ihn natürlich auch gefragt. Aber mir scheint, er weiß es selbst nicht.« Dann sah Judith an Fletcher vorbei.
     »Hallo, Sal.«
    Sal war über die Rampe eingetreten und hatte das Ende der Geschichte mit angehört. Sie wirkte besorgt.
    Fletcher wollte zur Charter-Farm, bevor das letzte Tageslicht erlosch und Peter Charter ein Opfer seiner Ängste wurde. Als
     sie aufbrachen, stand Denton noch immer reglos an der Wand und betrachtete seine Tochter, die wieder die Augen schloss und
     sich im Sessel zurücklehnte. Im Abendlicht glühten die Glaswände wie ein Hochofen.
     
    Sie nahmen Sals Wagen. Libellen zuckten durchs Dämmerlicht und Sal bog ohne jede Rücksicht auf die scharfe Kurve auf die Landstraße
     ein. Fletcher klammerte sich fest, dann legte der Wagen sich wieder gerade und sie fuhren inRichtung Charter-Farm. Fletcher dachte über den letzten Gegenstand nach, der auf Iwans Küchentisch gelegt worden war.
    »Du sagtest vorhin, du hättest eine Verbindung gefunden, Sal«, begann Fletcher. »Was denn für eine? Dass Iwans Vater als Ingenieur
     bei Niva gearbeitet hat und hier auf Dienstreise war?«
    »Nein, das wusste ich noch gar nicht. Aber ich weiß vielleicht, wie er gestorben ist und wo.«
    »Wie denn?«
    »Also . . .«
    Sal

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