Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
zwischen den Zehen und den
Druck der kühlen Brüstung an Händen und Oberschenkeln. Ein paar Regentropfen fielen auf ihre Brust. Am östlichen Himmel war
ein lichter Saum, durch den langsam dicke Wolken zogen, während der Fluss unten wie erstarrt wirkte.
Die Brüstung kam ihr vor wie die Gitterstäbe eines Käfigs. Sie schloss die Augen und fragte sich, wie lange sie es hier noch
aushalten würde.
Als ihr Handy läutete, schlüpfte sie nach drinnen und kramte es eilig aus der Handtasche, die auf dem Tisch lag. Sie hinterließ
feuchte Fußabdrücke auf dem Boden.
»Fletcher? Wo bist du? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
»Entschuldige, Sal. Ich wollte dir eine Nachricht auf Band sprechen. Ich bin in Parkside. Ich gehe gerade Ron Tevershams Polizeiakte
durch.«
»Hör mal, die hab ich dir doch selbst gezeigt. Hast du das vergessen? Ein paar Einträge wegen Alkohol am Steuer. Und, was
soll jetzt damit sein?«
»Nicht diese Polizeiakte, seine Akte bei der Polizei.«
Sie reckte sich gähnend. »Hör mal, Fletcher, es ist noch nicht einmal Morgen, und was du da sagst, ist nicht gerade . . .«
»Seine Akte bei der Polizei im Sinne von: seine Personalakte. Er ist 1970 mit fünfundzwanzig Jahren in den Polizeidienst eingetreten.
Erst auf Probe und dann als Constable.«
»Ron Teversham war bei uns?«
»Bis er 1981 entlassen wurde, noch immer im Rang eines Constable, und zwar unter Verlust seiner Pensionsansprüche. Irgendein
Skandal um konfiszierte Drogen. Es ist schon so lange her, dass wir es hier nur auf Papier haben und nicht im Computer.«
»Wo war er eingesetzt?«
»Rate mal. Er hat bis zu seinem Tod dort gewohnt.«
»In Wittris? Aber die Polizeiwache dort . . .«
»Wurde 1993 geschlossen. Jetzt hat die Polizei dort nur noch stundenweise Sprechzeiten. Denkst du jetzt das Gleiche wie ich?
Über diese nette Runde, zu der er seine alten Kumpels eingeladen hat?«
Plötzlich fröstelte sie. »Diese Männer auf dem Band waren Polizisten?«
»Pensionierte oder aus dem Dienst ausgeschiedene Polizisten, denke ich. Leute, die damals Constable waren. Teversham hat ihnen
die Drinks bezahlt und versucht, mehr über den Vorfall herauszufinden, auf den Olga angesetzt war. Einer der Männer sagte:
Ach, dieser alte Kram.
Erinnerst du dich? Es ging um etwas, wonach Teversham sie gefragt hatte und was sie mit
The Wake
in Verbindung brachten. Sie wussten alles darüber. Und dann sagten sie noch was – weißt du, was ich meine?«
Sal nahm ihren Regenmantel vom Garderobenhaken und legte ihn sich über die Schultern. »Irgendwas von wegen, dass die schlaue
Hunde waren und zusammenhielten?«
»Danach, meine ich.«
Aus dem Hörer kam plötzlich ein Klicken, und dann erwachte noch einmal das Band knisternd zum Leben. Die Stimmen übertönten
Gelächter und Musik.
»Das lief wie am Schnürchen. Sie haben das Problem im Handumdrehen gelöst.«
Fletcher stellte den Recorder aus und sagte: »Welches Problem musste denn damals, 1978, gelöst werden?«
Sie strich mit ihrem feuchten Zeh über den Boden. »Die Verbrechenswelle in den Fens, die Einbrüche, die auf das Konto der
Halbstarken aus Wittris gingen. Das war damals das größte Problem.«
»Und die Übergriffe hörten schlagartig auf, oder? Weißt du, was ich mir noch überlegt habe?«
»Nein, weiß ich nicht.« Durch die Tür konnte sie die eine Ecke des Betts sehen.
»Diese Bande aus Wittris. Ende 1978 war plötzlich Schluss mit dem Ganzen. Jetzt frag ich mich, warum. Und ich glaube inzwischen,
dass diese alten Polizisten Teversham ganz und gar nicht verarscht haben. Sie redeten über etwas, was sie in den siebziger
Jahren mitbekommen hatten, etwas, was
The Wake
mit der Wittris-Gang in Verbindung brachte.«
Sal streckte die Hand aus und machte die Schlafzimmertür zu. »Na klasse. Dann müssen wir jetzt also alle Ex-Polizisten in
Cambridgeshire ausfindig machen, die 1978 im Dienst waren. Das müssen ja . . .«
»Es sind ungefähr sechshundert. Beschränkt man sich nur auf die männlichen Polizisten im Rang eines Constables oder Sergeants,
kommt man auf dreihundertneununddreißig. Das ist bis Samstag nicht zu schaffen. Also nehmen wir uns lieber die Leute vor,
die wir schon kennen, und zwar diese drei ehemaligen Mitglieder von
The Wake
. Weil ich nämlich auch da meine Meinung geändert habe. Ich glaube nicht mehr, dass die Leute in
The Wake
einfach nur harmlose Clowns waren. Ich würde sagen, Peter Charter und Thomas
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