Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
Vom Netzwerk:
Denton bestellen wir gleich morgen früh zum Verhör
     auf die Wache . . .«
    »Heute, meinst du. Aber wir sind doch hinter Iwan Gorenski her, oder?«
    »Das hier geht jetzt vor. Ich stehe nicht gern jemandem gegenüber, der mehr weiß als ich, und schon gar nicht einem gefährlichen,
     rachsüchtigen Russen. Ich glaube, dass Iwan uns einen Schritt voraus ist – er hat die Verbindung schon gefunden. Er weiß mehr
     über den Tod seines Vaters als wir.«
    Als Sal auflegte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie noch immer den Regenmantel trug und sonst nichts. Hinter ihrem regenmantelfarbenen
     Spiegelbild färbte sich der Himmel im Osten allmählich rot. Sie hatte das Gefühl, dass sie einen sehr langen Tag vor sich
     hatte.
    Da wusste sie noch nicht, dass sie sich bei Einbruch der Nacht an einem Ort befinden würde, der tausend Meilen entfernt lag,
     in einem Gebirgstal Portugals, und dass sie dort ganz allein unter eine angenehm kühle Bettdecke schlüpfen würde.

Donnerstagmorgen
    Es war weit und breit kein Wagen mit falschem Nummernschild zu sehen, als Fletcher um sieben Uhr dreißig auf der Ely Road
     das Gaspedal seines Audis durchtrat und auf die Grenze der Grafschaft Norfolk zuschoss. Er wollte Peter Charter um neun Uhr
     in einem Verhörraum der Polizei sitzen haben, und angesichts des problemlos fließenden Verkehrs müsste ihm das auch gelingen.
     Die Straße glänzte wie sauber gewaschen unter dem blauen Himmel, der am Horizont, wo die Great Ouse in die Nordsee mündete,
     sogar noch blauer wirkte.
    Ab und zu flitzte ein Kaninchen über die Straße und verschwand zwischen den Mohnblüten am Straßenrand, oder der Schatten eines
     rüttelnden Sperbers lag für Momente auf dem Asphalt.
    Auf dem letzten Stück Weg, der unmittelbaren Zufahrt zur Farm, wirkte alles noch normal. Beim Näherkommen bemerkte Fletcher,
     dass die Traktoren beim Tor noch immer die stacheldrahtbewehrten Schaufeln gesenkt hatten und den Eingang versperrten. Er
     arbeitete sich zu Fuß durch den Verhau und überquerte den matschigen Hof, auf dem die Hühner in alle Richtungen davonstoben.
     Aus dem Stall hinter dem Haus drang verzweifeltes Muhen von Charters Kühen. Die Haustür war abgeschlossen. Durch die Scheibe
     sah er, dass der Eingang noch immer mit Möbeln blockiert war.
    Er rief nach Charter, und seine Stimme vermischte sich mit dem Gebrüll der Kühe. Auf der Rückseite des Hauses war die Tür
     nach wie vor mit dem Kühlschrank verrammelt. Er schlug ein Fenster ein und kletterte hinein.
    Die Küche sah beinahe so aus wie am Vorabend, nur das Chaos auf dem Tisch war verschwunden. Ein Gedeck war aufgelegt, ein
     einziges. Vor jedem leeren Stuhl standen Fotos von Charters Frau und Kindern.
    Fletcher befreite die knarrende Holztreppe von ihrem Stacheldrahtverhau und ging hinauf. Er sah in die Zimmer der Russen:
     Alles war unberührt. Dann schaute er in Charters Schlafzimmer, in das durch ein offenes Fenster die Sonne schien.
    Die alte Schrotflinte lag auf dem Boden, und Fletcher ließ sie unberührt liegen. Der Hahn war noch gespannt. Das verrostete
     Schloss hatte offensichtlich im entscheidenden Moment den Dienst verweigert: die letzte der vielen Enttäuschungen in Peter
     Charters Leben.
    Stattdessen hatte Charter zu einem Nylonseil gegriffen. Er baumelte von einem Deckenbalken herab, und in dem morgendlichen
     Lüftchen, das durchs Fenster hereinwehte, drehte er sich langsam im Kreis. Er hatte offensichtlich gewusst, wie man es machte:
     Der Knoten im Strick hatte ihm den Hals gebrochen.
    Auf der Kommode fand Fletcher neben dem Hochzeitsfoto einen zugeklebten Briefumschlag. Er nahm an, dass der Brief darin für
     Charters Kinder, seine Frau oder vielleicht auch einen Anwalt bestimmt war. Doch als er ihn umdrehte, stand dort in einer
     zittrigen, mit Kugelschreiber geschriebenen Schrift ein unerwarteter Adressat:
An Iwan Gorenski, Geschäftsmann.
    Er öffnete den Brief.
     
    Lieber Iwan,
    ich weiß nicht, warum Sie mich jetzt im Stich lassen. Ich verfluche Sie dafür, aber ich verzeihe Ihnen auch, denn Sie haben
     mir in den letzten Monaten Frieden gebracht, und Frieden ist ein unschätzbares Gut. Ich wünsche Ihnen noch
immer das Beste für Ihr Leben. Ich wünschte, ich würde Ihre Eltern kennen und könnte ihnen sagen, was für eine Hilfe Sie mir
     waren. Einen Freund könnte ich Sie nicht nennen, denn wir hatten ja kaum Kontakt. Aber ich habe heute an Barclays in Ely geschrieben
     und 7.654   Pfund für Sie bereitlegen

Weitere Kostenlose Bücher