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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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merkwürdig.« – »Sie dürfen nicht vergessen, daß sie nicht ganz richtig im Kopf war.« Nein, ihn überzeugte das nicht. Es überzeugte ihn nicht, weil jemand sie umgebracht hatte. Man bringt keine Frau um, nur weil sie ein bißchen verquer ist und nach Einbruch der Dunkelheit die Straße putzt. Man bringt sie aus einem triftigen Grund um, der vermutlich nichts mit ihrer Verrücktheit zu tun hat .
    Die Uhr auf dem Küchenbord tickte leise, begleitet vom rhythmischen Zirpen der Zikaden im Boboli-Garten hinter dem Palazzo, und da endlich wurde ihm bewußt, daß allein hier zu sitzen und sein Brot zu essen ihn an seine Zeit als Strohwitwer erinnerte. Es war keine unangenehme Erinnerung, da sie ihm noch deutlicher vor Augen führte, wie zufrieden er mit der derzeitigen Situation war. Noch besser würde alles werden, wenn die Jungen zurückkamen. Wie babyhaft und pummelig sie auf diesem Foto ausgesehen hatten … Er stand auf und spülte den Teller ab. Er war noch munter, obwohl es schon so spät war, und wollte gern noch einen Augenblick mit Teresa plaudern, falls sie nicht schon schlief. Er machte das Licht in der Küche aus und stellte erfreut fest, daß die Lampe im Schlafzimmer noch brannte, obwohl seine Frau die Augen geschlossen hatte. Er schaltete den Ventilator aus .
    »Schläfst du? «
    »Fast … Wieviel Uhr ist es? «
    »Spät, aber du kannst ja morgen ausschlafen. «
    »Ich schlafe nie aus. Du weißt ganz genau, wenn ich erst einmal wach bin … «
    Er legte sich ins Bett und streckte die Hand nach dem Wecker aus .
    »Ich habe ihn schon gestellt. Was ist denn mit dieser armen alten Frau passiert?« Nun waren ihre Augen weit geöffnet .
    »Oder möchtest du es mir nicht sagen? «
    »Doch, ich sage es dir … aber du darfst außerhalb dieser vier Wände kein Wort davon verlauten lassen, weil ich nicht möchte, daß es jetzt schon bekannt wird. Es sollte nach Selbstmord aussehen, aber jemand hat sie umgebracht. «
    »Umgebracht? Diese harmlose alte Frau? Sie war doch bestimmt arm wie eine Kirchenmaus! «
    »Was hat das denn damit zu tun? «
    »Na ja … ich weiß nicht. Ich dachte nur … ich weiß es nicht. «
    »Soviel ich weiß, besaß sie keine Lira, aber trotzdem wurde sie umgebracht. Zu niemandem ein Wort davon, denk dran! «
    »Ich sage bestimmt nichts. Du hättest es mir ja nicht zu sagen brauchen, wenn du nicht wolltest. Kein Grund, böse zu werden. «
    »Ich bin nicht böse.« Aber er war tatsächlich verärgert, und man hörte es seiner Stimme an. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er sich von den fehlenden Fotos und der Verrücktheit der alten Frau so hatte ablenken lassen, daß er darüber den naheliegenden Gedanken, jemand könnte sie aus Geldgründen umgebracht haben, ganz aus den Augen verloren hatte. Wenn man es recht bedachte, was wußte er oder sonst jemand wirklich von Clementina? Vielleicht war sie ein Geizhals gewesen. Vielleicht hatte sie irgendwo Geld versteckt, das sie nur nicht gefunden hatten, auch wenn ihm das unwahrscheinlich erschien. Ihre Vergangenheit lag im dunkeln, und das brachte ihn wieder zu den Fotos zurück. Wer war sie? Wo hatte sie bis vor zehn Jahren gelebt? Das galt es herauszufinden .
    »Na gut, wenn du lieber nicht darüber redest, mache ich das Licht aus. «
    »Was? Nein … Ich habe nur nachgedacht. Aber mach es trotzdem aus.« Schlagartig war er müde. Es war ein langer Tag gewesen, und wie es aussah, würde der morgige noch länger werden .
    Im August war der Morgen die beste Tageszeit, die einzige Zeit, in der sich der Körper kühl und leicht genug anfühlte, um aktiv zu sein, und der Kopf noch klar genug war, um fällige Entscheidungen zu treffen. Der Maresciallo war bereits eine gute Stunde, bevor die diensthabenden Rekruten herunterkamen, in seinem Büro. Er hatte sie im Stockwerk über sich aufstehen und duschen hören, Stimmen, die sich verschlafen die eine oder andere Bemerkung zuraunten. Vor dem Fenster regte sich kein Lüftchen, und in den Lorbeerbüschen zwitscherten die Vögel. Er hörte die Parkwächter kommen, die ihren Büroraum im Erdgeschoß direkt unter seinem Zimmer hatten. An so einem Morgen wäre es schön gewesen, nicht am Arbeitsplatz zu wohnen, sondern durch den Boboli-Garten zur Arbeit zu gehen .
    Er stand auf und öffnete das Fenster. Die Morgenluft war von der Sonne leicht angewärmt und roch nach Bäumen statt nach dem dichten Verkehr, der sie den Rest des Jahres über schwängerte. Er beugte sich hinaus, um einen Blick auf

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