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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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den Eindruck, daß sie im Grunde extrem verschlossen war und sich damit, daß sie verrückter tat, als sie war, die Leute vom Leib gehalten hat. Alle wußten, daß sie verrückt ist, aber niemand hat sie wirklich gekannt. Ich glaube, bis gestern hat kein Mensch gewußt, daß sie früher in San Salvi war.« Sie sah ihren Mann an, der die ganze Zeit ihre Hand gestreichelt hatte. »Du hast gesagt, du hättest auch den Eindruck, daß sie nicht sehr mitteilsam ist. «
    »Was ihre Wohnung betrifft? «
    »In jeder Beziehung! Wir haben doch darüber geredet! «
    »Ich weiß, aber wir sind keine Psychologen. Wenn sie so viele Jahre in San Salvi war …« Er warf dem Maresciallo einen verständnisheischenden Blick zu, als wollte er ihn bitten, die Gemütsverfassung seiner Frau zu berücksichtigen. Der Maresciallo wünschte insgeheim, Rossi würde die Wohnung verlassen und irgendwo einen Kaffee trinken. Bisher war der einzige Mensch, von dem er etwas Brauchbares über Clementina erfahren hatte, der arme Angelo gewesen. Und jetzt genierte sich diese junge Frau und würde gleich gar nichts mehr sagen .
    Rossis Blick ausweichend, sagte er: »Ich bin auch kein Psychologe, aber ich neige zu der Ansicht, daß Sie mit Ihren Vermutungen ziemlich richtig liegen. Zum Beispiel irritiert mich an Clementina, daß sie anscheinend keine Vergangenheit hatte. In ihrer Wohnung war nicht ein einziges altes Foto, und das kommt mir merkwürdig vor. «
    »Nein? Das ist wirklich merkwürdig …« Linda runzelte die Stirn. »Aber sie hatte das Foto, das sie aus der Zeitung ausgeschnitten hatte. Kein altes, sondern aus einem Artikel, der vor ein oder zwei Jahren über sie erschienen war, wann genau, weiß ich nicht mehr. Aber das beweist, daß sie Fotos von sich aufhob, auch wenn sie nur aus der Zeitung ausgeschnitten waren. Sie hat es mir mal gezeigt. «
    »Wo hat sie es aufbewahrt? «
    »In der Schublade im Küchentisch, zusammen mit allerlei Krimskrams. Haben Sie es nicht bemerkt, als Sie sich dort oben umgesehen haben? «
    »Nein, habe ich nicht … es sei denn …« Er mußte an die zerknitterte Zeitungsseite in der Schublade denken, aber die war uralt und vergilbt gewesen und hatte ausgesehen, als wäre die Schublade damit ausgelegt worden. »War es eine ganze Seite oder gar eine Doppelseite? «
    »Nein, es war nur ein kleines Foto mit ein bißchen Text darunter. Sie hat es sehr sorgfältig ausgeschnitten. «
    »Dann war es nicht da. Sie muß es weggeworfen haben. «
    »Als ich an dem Tag, an dem der hinkende Mann da war, zu ihr hinaufgegangen bin, war es noch da. «
    »Woher wissen Sie das so genau? «
    »Die Schublade stand offen. Wie gesagt, Clementina war nicht angezogen. Sie hat in der Schublade nach einem Knopf gesucht, den sie an ihr Kleid nähen wollte, das sie gerade gewaschen hatte – sie hatte kaum was zum Anziehen –, und da lag das ausgeschnittene Foto ganz obenauf. Aufgefallen ist es mir deshalb, weil sie darauf dasselbe Kleid trug. Weiß der Himmel, wie lange sie es schon hatte. Ich weiß noch, daß ich dachte: Wenn ich ihr doch nur was zum Anziehen geben könnte, aber sie war viel kleiner und dicker als ich. «
    »Wenn Sie sagen, sie war mit ihrem Kleid beschäftigt, als sie hinaufkamen, schließe ich daraus, daß der Besuch dieses Mannes sie nicht mehr beunruhigt hat als Ihre Vorwarnung wegen der Mieterhöhung. «
    »O doch. Diesmal war sie beunruhigt – sie wurde immer besonders geschäftig, wenn sie durcheinander war. Sie stand da, halbnackt, und hat in der Schublade herumgewühlt, und ihr Kleid, das im Ausguß in einer kleinen Schüssel mit Seifenlauge lag, hing halb heraus, so daß es auf den Boden tropfte. Sie hatte einen ganz roten Kopf und schimpfte und fluchte so laut vor sich hin, daß sie mich gar nicht klopfen gehört hat; aber da die Tür offenstand, bin ich hineingegangen .
    ›Clementina, ich bin es.‹ Sie hat nicht geantwortet, sondern weiter vor sich hingeredet. «
    »Was hat sie gesagt? Versuchen Sie sich zu erinnern, es könnte uns weiterhelfen. «
    »Sie hat nur zusammenhangloses Zeug geredet. Es ergab keinen Sinn, tut mir leid. Ach ja … sie sagte wiederholt: ›Ich denk nicht dran zu gehen … was auch passiert, ich gehe nicht, und zwingen können sie mich nicht!‹ Das ist das einzige, woran ich mich genau erinnere. Ich habe daraus geschlossen, daß Bianchi, wie er sich nannte, ihr ähnlich gedroht hatte wie uns. Ich wußte, daß sie kein Geld hatte und ihn nicht geschmiert haben konnte. Allerdings habe

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