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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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seine beschränkte Intelligenz auf eine Menge widersprüchlicher Fakten anzusetzen. Das alles fiel diesmal weg, wahrscheinlich wegen Bruno, und übrig blieb nur das Mitleid mit einer armen alten Frau, die in ihrem Bett überfallen worden war und die er im Traum dadurch am Leben zu erhalten gehofft hatte, daß er sich zu ihr setzte .
    »Setzen Sie sich zu mir? «
    Ursprünglich hatte Angelo dieses Mitleid geweckt. Angelo, dessen Miene sich beim Anblick eines Vogels aufhellte .
    Und Bruno. Aber Bruno konnte er nicht dadurch am Leben erhalten, daß et sich zu ihm ans Bett setzte, obwohl er weiß Gott liebend gern Tag und Nacht bei ihm gesessen hätte. Er durfte ihn nicht einmal sehen. Ob man ihm den Kopf kahlrasieren würde? Und seine Eltern genossen ihren Urlaub, ohne zu ahnen, was sie bei ihrer Rückkehr erwartete. Seine beiden Jungen … Er war immer selbstverständlich davon ausgegangen, daß sie ihren Militärdienst bei den Carabinieri ableisten würden …
    »Passen Sie doch auf! «
    Eine reptilartige Prozession japanischer Touristen hatte ihn von dem schmalen Gehsteig heruntergedrängt und vor ein Taxi geschubst. Der Fahrer, der gerade noch rechtzeitig bremsen konnte, starrte ihn an. Achselzuckend trat der Maresciallo zurück. Er mußte sich zusammenreißen. Er war schon ein Stück zu weit gegangen, überquerte jetzt die Uferstraße und kehrte wieder um. Weiß der Himmel, wie weit er gelaufen wäre, wenn ihn nicht das Taxi aufgeschreckt hätte. Er begab sich zur Kirche Santa Croce; vor der Marmorfassade blieb er stehen, um die Adresse aus der Tasche zu holen. Die Straße, die er suchte, war winzig und führte direkt vom Platz weg; wie sich herausstellte, war sie aufgerissen, und über den klaffenden Gräben lagen Holzplanken, aber gearbeitet wurde nicht. Überall waren die eisernen Rolläden vor den Geschäften heruntergezogen, nur in einem, das nach Fischhändler aussah, wurde offenbar umgebaut. Ein grauhaariger Mann mit imposantem Schnauzbart stand mit einem Besen in der Hand in der Tür. Als er sah, daß der Maresciallo zögerte und nach den Hausnummern Ausschau hielt, meinte er lächelnd: »Eine schöne Bescherung. «
    Der Maresciallo schaute an ihm vorbei in den Laden. Offenbar wurde er während der Ferienzeit renoviert .
    »Ich meine die Straße«, fuhr der Mann fort. »Weiß Gott, wann sie damit fertig werden. Wir kriegen neue Gasleitungen. Noch ein paar solche Gewitter wie gestern, und wir müssen Wasser schöpfen wie Sechsundsechzig. «
    »Waren Sie damals hier?« fragte der Maresciallo, wach geworden bei dem Gedanken, daß er womöglich jemanden gefunden hatte, der Clementina gekannt hatte .
    »Wo soll ich denn sonst gewesen sein? Sehen Sie diesen Ladentisch?« Es war ein aufwendiger Marmorsockel mit farbigen Einlegearbeiten. »Solche kriegt man heutzutage kaum mehr zu sehen, aber die ganze Vorderseite war früher mit Glas verkleidet. Alles zerbrochen. Dabei hat er zwei Weltkriege ohne die kleinste Macke überstanden! Und erst der Keller! Das ganze Lager! Wir haben Gasmasken gebraucht, um hinunterzugehen und alles rauszuschaffen. Ich kann nur hoffen, daß ich so was nie wieder erlebe. «
    »Das kann ich mir denken … Ich überlege gerade, ob Sie mir vielleicht helfen können. Wenn Sie schon so lange hier sind, haben Sie vielleicht eine Frau gekannt – damals muß sie um die Dreißig gewesen sein –, die drüben in Nummer fünf gewohnt hat. «
    »Wie hat sie denn geheißen? «
    »Die meisten kennen sie als Clementina. «
    »Clementina? Nein, das sagt mir nichts. Wissen Sie den Nachnamen? «
    »Franci. Anna Clementina Franci. Ihr Mann hieß Chiari. «
    »Moment! Jetzt weiß ich, wen Sie meinen. Mich hat nur der Name Clementina verwirrt, ich wußte gar nicht, daß sie so hieß. Anna Chiari ist die Frau, die Sie meinen. «
    Wie eigenartig das klang. Auf einmal war ein richtiger Mensch aus ihr geworden. Anna Chiari, nicht die verrückte Clementina .
    »Haben Sie sie gekannt? «
    »Natürlich hab ich sie gekannt. Chiari hatte ein Ledergeschäft, gleich da drüben, und sie war bei mir Kundin, die arme Haut. Nachdem sie sie weggebracht haben, ist sie nie mehr zurückgekommen. «
    »Dino!« rief eine Stimme aus dem hinteren Teil des Ladens .
    »Einen Augenblick! Was wollen Sie von ihr? «
    »Haben Sie nicht in der Zeitung gelesen, daß sie tot ist? «
    »Tot? «
    »Dino! «
    »Ich komme gleich! Nein, hab ich nicht, aber ich lese auch nicht viel Zeitung, ich schau mir die Nachrichten im Fernsehen an. Demnach

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