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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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und kam herein. »Maresciallo? «
    »Warum bist du nicht im Bett? «
    »Es geht mir gut, ehrlich. Haben Sie vergessen, daß Sie gesagt haben, ich soll beim Einwohnermeldeamt anrufen, um festzustellen, ob ich die Schwester der Verrückten ausfindig machen kann? War allerdings Fehlanzeige. Ohne den Vornamen und die Adresse spuckt der Computer sie nicht aus. «
    »Es muß doch einen Weg geben, da ranzukommen! Wenn ich den Vornamen und die Adresse wüßte, würde ich nicht nachfragen. «
    »Genau das habe ich denen auch gesagt, mußte mich aber ziemlich scharf zurechtweisen lassen, daß das schließlich keine Verbrecherkartei sei. Trotzdem bin ich überzeugt, daß es einen Weg gibt, an diese Daten zu kommen, nur leider ist der zuständige Beamte in Urlaub … «
    »Und wir müssen bis zum ersten September warten. Erzähl mir bloß das nicht. «
    »Genauso ist es, leider. Gibt es was Neues von Bruno? «
    »Nichts. Als ich das letzte Mal angerufen habe, war er noch immer bewußtlos. «
    »Wie lange ist das her? «
    »Muß etwa eine Stunde sein. «
    »Können Sie es nicht noch mal versuchen? «
    »Mach ich gleich. «
    »Rufen Sie mich an, wenn es irgendwas gibt … Ach, beinahe hätte ich vergessen, weshalb ich gekommen bin. Das hat ein Bote für Sie abgegeben. «
    Zehn Minuten später nahm der Maresciallo Hut und Jackett vom Haken hinter der Tür. Bevor er wegging, warf er einen kurzen Blick in den Wachraum .
    »Wie geht’s deiner Schulter? «
    »Alles in Ordnung. Ich würde lieber aufbleiben, Maresciallo, wirklich … «
    »Kannst du mit einer Hand ein bißchen tippen? «
    »Ich denke schon. Dann muß ich mich eben mit einem Finger begnügen statt mit zweien. «
    »Wenn es nicht geht, soll einer von den anderen für dich tippen, und du kannst die restlichen Anmerkungen zu dem Bericht schreiben, der auf meinem Tisch liegt. Die meisten habe ich schon gemacht. Ich sehe sie mir dann an, wenn ich zurückkomme.« Er gab nicht zu, daß er unmöglich ruhig dasitzen und sich konzentrieren konnte. Ihm war jede Ausrede recht, um von hier wegzukommen und ein paar Schritte zu gehen, um die Angst abzuschütteln, die sich seiner bemächtigte .
    »Haben Sie im Krankenhaus … «
    »Keine Veränderung. «
    »Aber haben Sie sonst noch was erfahren? «
    »Ja. Man hat mir gesagt, daß er ein Blutgerinnsel im Gehirn hat und wahrscheinlich noch heute operiert werden muß. «
    »Mein Gott … Das habe ich auf seinem Spind gefunden, Maresciallo. «
    Es war eine Postkarte von Brunos Eltern aus Wien. Von dort aus wollten sie weiter nach Amsterdam. Zum Schluß hieß es: »Liebe Grüße. Bis zum 1. September. «
    »Soll ich in der Kommandantur anrufen? Man kann nie wissen, vielleicht haben die irgendeine Möglichkeit … «
    »Ja. Ruf dort an. «
    »Gehen Sie weg? «
    »Bis zum Mittag bin ich wieder zurück. Wenn nicht, melde ich mich. «
    Damit marschierte er los. Er bildete sich ein, wenn er nur weit genug und fest entschlossen ging, könnte er vielleicht etwas von dem Druck auf der Brust abschütteln und wieder richtig durchatmen. Er schritt gleichmäßig aus, ohne nach rechts und links zu blicken, nahm nur dunkelgetönte, verwischte Farben wahr und hörte nichts als das gedämpfte Summen bedeutungsloser Geräusche, wie ein Zugreisender, der halb eingenickt war. Ab und zu prallte er mit Touristen zusammen, die unschlüssig umherschlenderten, an den hohen Häuserfassaden emporschauten und ihm den Weg versperrten. Er merkte, daß sie stehenblieben und ihm nachstarrten, drehte sich aber nicht einmal um, um sich zu entschuldigen. Seine Sonnenbrille schottete ihn von ihnen und ihrer Welt ab. Er überquerte den Fluß und folgte der Uferstraße auf der anderen Seite .
    Bei schwierigen Fällen kam es zuweilen vor, daß er sich, in einem lichten Moment, über sich selbst ärgerte, weil es ihm an Grips und Effizienz mangelte. Man wußte von ihm, daß er Listen und Pläne machte und Diagramme zeichnete, die er dann stundenlang anstarrte, ohne daß sie ihn auf etwas anderes gestoßen hätten als auf seine eigene Beschränktheit. Irgendwann schob er sie dann einfach beiseite und folgte, konzentriert und unerbittlich, seinem Instinkt. So war das bei fast allen Fällen gewesen, die er bearbeitet hatte; danach mochte er nicht mehr daran denken, weil er sein Vorgehen als ein bißchen peinlich empfand und die ganze Angelegenheit lieber vergaß, sobald sie vorüber war .
    Diesmal konnte er sich weder hinter Listen verschanzen, noch hinter fruchtlosen Versuchen,

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