Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
befreundet waren … aber verzeihen Sie, ich bin recht unaufmerksam. An einem so heißen Tag brauchen Sie sicher was Kaltes zu trinken.« Ihr Blick löste sich von seiner verschwitzten Uniform, so daß dem Maresciallo bewußt wurde, wie er nach seinem langen, aufgeregten Marsch in der Hitze aussehen mußte. Diese Frau hingegen sah aus, als bliebe sie ungeachtet der Temperatur und ungeachtet ihrer Gefühle stets kühl und gefaßt. Sie durchquerte das Zimmer und öffnete einen schweren, dunklen Schrank. Darin standen drei oder vier Flaschen und mehrere ordentlich aufgereihte kleine Gläser, bei deren Anblick der Maresciallo an vor langer Zeit geöffneten, klebrigen Vin Santo denken mußte. Er war überzeugt, daß nicht oft Gäste in dieses Haus kamen .
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte er rasch, »aber am allerliebsten wäre mir ein Glas Wasser. «
    Sie richtete sich auf. »Aber sicher. Ich hole Ihnen eines.« Während sie draußen war, kam eine winzige, uralte Frau mit einem Stock an die Tür, blieb dort stehen und starrte den Maresciallo so selbstvergessen an wie ein kleines Kind einen Fremden .
    »Guten Morgen.« Der Maresciallo machte Anstalten aufzustehen, aber sobald die alte Frau Schritte hinter sich hörte, verschwand sie. Er hörte die Schwiegertochter sehr leise sagen: »Geh in dein Zimmer. «
    »Ich will mein Frühstück. «
    »Das hattest du schon. Hast du das vergessen? Geh jetzt in dein Zimmer. «
    Eine Tür wurde geschlossen. Signora Santoli kam mit einem Glas Wasser in der Hand zurück. Der Maresciallo stand noch immer da .
    »SetzenSiesichdoch.LassenSiesichvon meiner Schwiegermutter nicht stören. Ist sie hereingekommen? «
    »Nur bis zur Tür. Vermutlich wollte sie wissen, wer da ist. «
    »Bitte, lassen Sie sich von ihr nicht stören. Sie ist praktisch wieder zu einem Kind geworden. «
    »Ein Schlaganfall? «
    »Nein, Arterienverkalkung. Ich kann mich nicht beklagen, sie ist recht gefügig. Das einzige Problem ist, daß ich nie aus dem Haus gehen kann, denn selbst wenn ich die Tür mehrfach zusperre, gelingt es ihr immer wieder, sie aufzumachen, und dann geht sie los und hat keine Ahnung, wo sie ist oder wie sie heimkommen soll, die Arme. Es war einfacher, solange mein Mann noch gelebt hat, wobei ihr Zustand vor sieben Jahren natürlich nicht annähernd so schlecht war wie jetzt.«, Sieben Jahre. Sieben Jahre an diese Wohnung gefesselt, und sie wahrte den Schein, obwohl es in ihrem Leben vermutlich nicht das kleinste Vergnügen gab. Manche Frauen waren wirklich Heilige .
    Als hätte sie seine Gedanken erraten, fuhr Signora Santoli fort: »Zum Glück höre ich sehr gern Musik und habe mir eine Stereoanlage geleistet, keine sehr gute, aber für mich reicht sie. «
    Ihr Blick wanderte hinüber in eine Zimmerecke, in der eine offensichtlich neue Stereoanlage stand, der einzige moderne Gegenstandindiesemziemlichdüsteren,altmodischen Zimmer. »Ich sehe auch gern fern, und meine Schwiegermutter geht früh zu Bett. Ansonsten ist sie bei guter Gesundheit, und dafür muß man dankbar sein. Außerdem habe ich eine Nachbarin, die jeden Samstagvormittag eine Stunde kommt, so daß ich selbst ein bißchen einkaufen gehen kann, statt mir alles bringen lassen zu müssen. Das ist eine nette Abwechslung. «
    »Aber ich könnte mir vorstellen«, sagte der Maresciallo, »daß Ihre Nachbarin jetzt in Urlaub ist. «
    »Ist sie auch, aber der August ist bald vorbei, nicht wahr? «
    »Ja, Gott sei Dank«, sagte der Maresciallo aus tiefstem Herzen. Er trank einen Schluck Wasser. Es war kühl, also mußte es im Kühlschrank gestanden haben, aber es kam aus der Leitung und schmeckte nicht gut. Er war überzeugt, daß in diesem Haushalt das Geld knapp war und die Anschaffung der Stereoanlage ein großes Ereignis im Leben dieser Frau darstellte. Bestimmt hatte sie sich monatelang mit der Entscheidung herumgequält, bevor sie sich dazu durchgerungen hatte. Sieben Jahre … Schlagartig fiel ihm die Bemerkung des Staatsanwalts ein, er lasse sich immer in die »kleinen Probleme« anderer Leute hineinziehen. Doch der Staatsanwalt erlebte diese Leute nur in seinem Büro, wo ihre »kleinen Probleme« nicht so deutlich ins Auge fielen. Aus schierem Trotz blieb er sitzen und ließ Signora Santoli weiterreden .
    »Mein Mann war zwar Italiener«, sagte sie, »aber ich selber bin Schweizerin. Kennengelernt haben wir uns, als ich hier als Gouvernante gearbeitet habe. Leider hatten wir selber keine Kinder, das war eine große

Weitere Kostenlose Bücher