Tod eines Centurio
unsere Hauptsorge war eine andere: sie würden sicher die Germanen um Unterstützung bitten, ihnen dabei zu helfen, uns aus dem Weg zu räumen.
Caesars Befehl gehorchend, mußte ich selbst bei der Erledigung meiner Sekretärspflichten meine Rüstung tragen und meine Waffen bereit halten. Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, hatte er den Genuß von Wein am Tage verboten. Ich fand diese Maßnahme ein wenig übertrieben, doch ich hütete mich, dagegen zu protestieren.
Bevor ich mich mit Papyrus, Feder und Tinte niederließ, brachte ich Hermes zu einem der Schwertkampflehrer der Legion, damit der ihm die Grundlagen seiner Kunst vermittelte.
Wie die meisten dieser Männer war er ein Ex-Gladiator, und die Tatsache, daß er bis zu seiner Pensionierung überlebt hatte, war hinreichender Beweis seiner Fertigkeit an den Waffen. Der narbengesichtige Koloß ließ den Jungen sofort das Zustoßen mit einem 1,80 Meter langen Stab üben wie jeden xbeliebigen Anfänger. Ich wußte, daß Hermes schon nach wenigen Minuten das Gefühl haben würde, ihm fiele der Arm ab, doch der Lehrer würde nicht eher Ruhe geben, bis er ihn den ganzen Tag heben und jedesmal einen Punkt von der Größe eines Silberdenars treffen konnte. Hermes schwitzte schon, als ich mich auf den Weg ins Praetorium machte.
Von überall her dröhnte das Gebrüll der Centurionen und ihrer Optios, die die Soldaten drillten. Das pausenlose Gehämmer der Waffenschmiede erfüllte die Luft genauso wie das Hufgetrappel auf dem harten Boden, wenn eine Reiterstaffel zu einer Patrouille ausritt oder ins Lager zurück kehrte, um Bericht zu erstatten. All diese Geräusche ließen mich lächeln, weil sie nichts mit mir zu tun hatten.
Ich hatte eine Arbeit, die ich im Sitzen ausüben konnte, und zwar nicht in einem Sattel.
Während Caesar und Labienus mit einer Delegation der halbrömifizierten Allobroger verhandelten, saß ich auf einem Klappstuhl an einem Feldtisch und hüllte mich gegen die kühle Morgenbrise enger in mein Sagum. Wolken verdeckten die unendlich entfernte gallische Sonne und das bißchen Wärme, das sie möglicherweise gespendet hätte. Derart in kaltes Eisen und warme Wolle gehüllt, öffnete ich die erste Schriftrolle von Caesars Berichten an den Senat.
Sie enthielt karge und unkomplizierte Notizen über Caesars Aktivitäten, seit er Rom verlassen hatte: Wie er in Italien das Kommando über seine Legion übernommen hatte und gen Norden nach Gallien marschiert war, wobei er unterwegs seine Hilfstruppen gesammelt hatte. Zunächst hielt ich das Ganze für Notizen, wie sie sich jeder Schreiber in Vorbereitung auf die ernsthafte Arbeit, eine Chronik oder Rede, gemacht haben könnte.
Ich verzweifelte an der Aufgabe, vor die Caesar mich gestellt hatte, fand ich doch nicht nur skizzenhafte Notizen vor, sondern stieß auch noch auf eine Schwierigkeit, die ich nicht vorhergesehen hatte: Caesars Handschrift war derart unleserlich, daß ich meine Augen anstrengen mußte, um die Buchstaben überhaupt erkennen zu können. Und um alles noch schlimmer zu machen, war seine Rechtschreibung mehr als miserabel.
Neben zahlreichen anderen Eigenarten schrieb er einige der kürzeren Wörter rückwärts und verdrehte bei vielen der längeren Wörter einzelne Buchstaben.
Ich dachte an die Gelegenheiten zurück, bei denen ich Caesar privat erlebt hatte, normalerweise in Gesellschaft eines Sklaven, der ihm aus den Chroniken oder klassischen Epen vorlas.
Natürlich stellen die meisten von uns von Zeit zu Zeit einen Vorleser an, um die Augen zu schonen, doch jetzt wurde mir bewußt, daß ich Caesar nahezu niemals seine Nase in eine Schriftrolle hatte stecken sehen. Das war eine schier unglaubliche Enthüllung: Gaius Julius Caesar, Prokonsul, Liebling der Volksversammlungen und Möchtegern-Alexander, war des Lesens und Schreibens kaum mächtig.
Ich beschloß, Caesars Notizen zunächst wortwörtlich zu übertragen. Die Eigenheiten seiner Rechtschreibung waren so irritierend, daß allein dies schon eine entmutigende Aufgabe war. Ich verbrachte einen Großteil des Vormittags damit, die erste Schriftrolle in meiner sauberen Handschrift zu kopieren.
Als ich sie in eine halbwegs lesbare Form gebracht hatte, ging ich die Notizen noch einmal durch. Und dann ein zweites und ein drittes Mal.
Nach der dritten Lektüre legte ich die Schriftrolle zur Seite in dem Bewußtsein, daß ich mit etwas völlig Neuem in der Welt der Buchstaben konfrontiert war. Verblüfft wurde mir klar, daß
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