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Tod eines Eisvogels - Roman

Tod eines Eisvogels - Roman

Titel: Tod eines Eisvogels - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gehen. Feindselig und in sich zurückgezogen belauerte sie mich.
    Wir hatten geplant, noch einmal durch Amsterdam zu streifen, doch nun wollte sie nicht mehr. Sie blieb immer wieder stehen, und als sie nicht aufhörte, herumzunörgeln, ließ ich sie stehen und lief los. Unwillig gab sie schließlich nach und folgte mir.
    Als wir an einem Laden vorbeikamen, in dessen Auslage Drucke und alte Stiche in der Sonne bleichten, und Leni auf den Druck mit den Mondspinnern zeigte, da fühlte ich mich einen Moment lang versöhnt und wieder am richtigen Ort.
    Wie eine Marionette hob die Frau müde den Kopf über der Zeitung, als wir den Laden betraten. Leni verschwand sofort hinter einer der Bücherwände. Überall stapelten sich Bücher, vor den Regalen, neben alten Zeitschriftentürmen und unter und über ausgeklügeltintegrierten kleinen Holzvitrinen, in denen schwere Folianten aufgeschlagen im matten Glühbirnenlicht lagen.
    Über einen wackligen Treppenaufgang und eine daran angeschlossene, improvisierte Traverse gelangte man auf die Galerie, von wo aus man einen guten Blick über den Laden hatte. Unten hatte sich Leni in einen alten Sessel fallen lassen, wo sie über einem Atlas brütete und mit dem Finger irgendwelche Flußläufe oder Landesgrenzen nachzog.
    Leni liebte alles, was mit Geographie zu tun hatte. Schon in der zweiten Klasse zeigte sie Interesse an fremden Ländern, Flüssen und Landkarten. Auch konnte sie Stunden damit zubringen, Phantasielandkarten in ihr Ringbuch zu malen und in ihrer krakeligen Schrift erfundene Städtenamen daneben zu schreiben; oder kleine Bildchen vom Main oder der Kinzig aus Prospekten auszuschneiden und neben die mit Buntstiften abgepausten Flußverläufe zu kleben.
    Später, als aus der Heimatkunde das Fach Erdkunde geworden war, da konnte sie von der Sahel-Zone oder dem Atlasgebirge erzählen. Ihre Fähigkeit, sich den Verlauf eines Flusses irgendwo auf der Weltkarte fotografisch genau merken und wie aus der Pistole geschossen beschreiben zu können, hat mich oft erschreckt, denn ebenso zäh, wie ihr Erinnerungsvermögen sich gegen das Vergessen irgendwelcher Städtenamenstemmte, konnte sie einem mit harter Miene noch nach Jahren jedes böse Wort wiederholen, das irgendwann einmal im Streit gegen sie gefallen war.
    Und spielten wir als Kinder »Stadt-Land-Fluß«, so stand der Sieger jedesmal bereits vorher fest. Viel schneller als wir anderen, füllte sie die Spalten ihres Blattes mit Begriffen, trug in Windeseile Städte- und Flußnamen ein. Und rief sie »Stop«, dann mußten wir augenblicklich unsere Stifte fallen lassen, funkelten ihre Augen vor Erregung.
    Die Antiquarin war bald wieder in ihre Zeitung vertieft, bis ich sie auf englisch auf den Mondspinner-Druck in der Auslage ansprach und nach anderen Schmetterlingsdarstellungen fragte und sie spontan auf deutsch antwortete, was mich überraschte. Und, wie es schien, auch sie selbst.
    Sie sprach in jenem leicht schleppenden, mir nur allzuvertrauten Slawendeutsch, wie ich es von Onkel Viktor viele Jahre täglich gehört hatte; dieser aus den Backentaschen kommende, mild raunende Singsang, der die Silben leicht zischend bläht und sich als eigenartig vertraueneinflößende Klangschale kurz und hart um die Worte legt.
    Mit trägen Augen suchte sie auf meine Frage hin die Buchreihen ab, bis sie sich erhob, in einer Seitentür neben einem überladenen alten Sekretär verschwand und mir kurz darauf eine Mappe mit Drucken vorlegte,handkolorierte, stockfleckige Blätter, die in Plastikhüllen steckten.
    Ich konnte meine Neugierde nicht unterdrücken und fragte sie, woher sie käme, was sie mit einem knappen »aus Krakau« quittierte. Verunsichert, ja eingeschüchtert schaute sie dabei zu Boden. Ihre ganze Erscheinung wirkte seltsam ungebunden, geistesabwesend und doch angespannt; der enge, unmoderne Hosenanzug, dazu die leicht fleckigen, ockrigen Spinnenfinger, mit denen sie sich ab und zu an die Stirn tippte, verstärkten diesen Eindruck noch. Ihre hohen Wangenknochen und die breite Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen ließen mich an Onkel Viktors polnische Freundin Olga denken, die früher regelmäßig mit ihrem Mann Andrzej und ihrer Tochter Eva zu uns zu Besuch kam und häufig einen ganzen Rattenschwanz wildfremder Polen mitbrachte.
    Im Korso fuhr man raus in den Spessart zum Pilzesammeln, worin die Wierschomierskis wahre Spezialisten waren. Hinterher roch es in unserer Wohnung tagelang nach getrockneten Pilzen, die Onkel

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