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Tod eines Eisvogels - Roman

Tod eines Eisvogels - Roman

Titel: Tod eines Eisvogels - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Viktors Mutter Henriette aus Wien, wenn sie zufällig auch da war, auf Zeitungspapier in Antonias altem Zimmer ausbreitete. Dann gab es Powideltascherln und Mohnknödel, Kartoffelnudeln und Kaiserschmarrn, daß einem die Augen überliefen, oder mit Zwiebeln und Speck geschmorte Butterpilze und selbstgemachteSpätzle. Viktors Mutter Henriette war eine gebürtige Wienerin, eine kantige, starrköpfige Besserwisserin, die in meiner Erinnerung eines Tages für immer davongefahren ist in einem Schnellzug nach Wien.
    Olga Wierschomierski dagegen hatte etwas von einer polnischen Fernsehansagerin, wenn sie ihr Mündchen spitzte, um ein Schlückchen Eierlikör zu schlürfen, oder nach jedem gelungenen Satz kokett ihren Pagenkopf schüttelte, daß die strohblonden Strähnen zitterten.
    Eigentlich interessiert hat mich aber nur Eva, Tante Olgas Tochter, eine kleine Schönheit, die sich in ihrem Teenagerspeck lasziv auf unserer Wohnzimmercouch lümmelte und dabei so tat, als schlafe sie mit offenen Augen. Ihr dicker, runder Busen ist noch lange danach durch meine Jungenträume gespukt, wenn ich in meinen nächtlichen Phantasien mit ihr auf einem Pferdekarrussel im Kreis fuhr und sie sich mit großen Augen meine viel zu kleinen Hände auf die nackten Brüste legte.
    Und doch schnitt sie jedesmal genervt Grimassen, wenn Onkel Andrzej nach dem fünften Sliwowitz anfing, sie vor allen anderen neckisch »Pony« zu nennen und ihr Klapse auf den Po zu geben oder mit zweideutigen Bemerkungen ihre frühreifen Rundungen zu preisen. Tante Olga machte meist gute Miene zum bösen Spiel, markierte eine operettenhafte Empörung,wobei sie die pinselstrichdünnen Brauen hochzog, daß sich alle auf die Schenkel schlugen und Onkel Viktor vergnügt an seiner Rothändle zog.
    Evas Busen war einfach wunderbar – zwei herrlich runde Bälle, über denen dünne Stoffe spannten und die auf meine Blicke lauerten. Obgleich Eva eher träge war, ihre Brüste, das wußte sie, machten sie zu einer Attraktion. Und nicht nur für mich, sondern auch für Onkel Viktor, der sein Begehren nur schwer verbergen konnte und Mutter damit oft beschämte.
    Kamen die Polen zu Besuch, meist an den Samstagen, erfüllte bald ein glückseliges Heimweh unsere Wohnung. Dann wurde hitzig palavert, Onkel Viktor packte seine Mandoline aus, und man sang polnische Lieder, die Aschenbecher quollen über, und ich mußte immer neue Bierflaschen aus dem Schuppen im Garten herbeiholen, bis Onkel Viktor die zweite Flasche Sliwowitz auf den Tisch stellte und alles in immer neuen Freundschaftsbekundungen und Verbrüderungen endete. Danach atmete unsere Wohnung Wärme, Schweiß und Kummer, und die polnischen Sätze hingen wie fernwehgetränkte Girlanden über unseren Köpfen.
    Gegen Eva wirkte Leni wie eine Porzellanpuppe, die in ihrer eigenen Sprachlosigkeit trieb. Denn Eva schien regelrecht zu galoppieren, wenn die Worte aus ihrem Schmollmund kamen; und da, wo ihr Busen bei jeder Bewegung unübersehbar wogte, wölbten sichbei Leni zwei kinderfaustgroße Hügelchen, die plötzlich mickrig wirkten.
    Vielleicht hat Leni Eva deswegen nie ausstehen können. Und fuhr der polnische Express durch unsere Wohnung, hielt sie sich meist abseits. Auch anschließend, wenn wir in die Autos verfrachtet wurden und es in den Spessart ging und Mutter in jeder Kurve mit angespannten Waden an Onkel Viktors längst ungültigen »Internationalen Führerschein« dachte, saß sie hinten zwischen mir und Eva eingezwängt in ihrer Unzufriedenheit und schwieg.
    Onkel Andrzej ist Jahre später an einem Hirnschlag gestorben, und Eva hat bald einen Vertreter geheiratet, der ihren Busen fortan für sich allein hatte. Ich habe sie seit jenen Tagen nicht mehr wiedergesehen.
    Tante Olga eröffnete eine Frauenboutique, das »Modeneck«. Mutter probierte noch manchmal eine Bluse oder einen heruntergesetzten Rock bei ihr an, wobei beide vertraulich taten. Mit Onkel Viktors Krankheit aber rissen auch die letzten Fäden zu seinem alten Leben ab. Und die Wierschomierskis hatten sich inzwischen in »Grün« umbenannt.
    Die Frau aus Krakau in dem Antiquariat warf mir noch einen letzten, verstohlenen Blick durchs Schaufenster nach, als wir ihren Laden verließen und Leni den Druck, den sie sich ausgesucht hatte, an sich drückte.

ZEHN
    Noch einmal fuhren wir den nächtlich erleuchteten Stadtgürtel entlang. Die beleuchteten Grachtenhäuser schimmerten spiegelverkehrt auf dem Fluß. Giebel an Giebel ragten im Abenddunkel ihre

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