Tod eines Fremden
ihr zu sagen, dass man Michael Dalgarno nichts nachsagen konnte, was unter Geschäftsleuten nicht gängige Praxis war. Es gab keine Aufzeichnung darüber, dass er auf eigenen Namen Land ge- oder verkauft oder außerhalb seiner Firmentätigkeit Profit gemacht hatte.
Monk würde auch berichten, dass er Erkundigungen eingezogen hatte über den Unfall, von dem Baltimore und Söhne vor sechzehn Jahren am Rande betroffen gewesen war, und dass der Landbetrug, den man einem ihrer Bankangestellten nachgewiesen hatte, damit nichts zu tun hatte. Der Grund für diese Tragödie war nicht bekannt, aber die Gleise waren repariert worden und wurden heute noch befahren. Sie waren genauestens untersucht worden, und man hatte keine Fehler oder Unzulänglichkeiten entdeckt.
Er war so müde, dass er sich nach Schlaf sehnte, selbst auf einer Parkbank in der strahlenden Aprilsonne, aber er hatte Angst vor dem Entsetzen, das sich seiner in dem Augenblick bemächtigen würde, in dem er die Kontrolle über seine Gedanken verlor. Er wusste nicht, auf welche Weise er schuldig sein konnte, aber das Gefühl von Schuld blieb, die Hilflosigkeit, das Blut, die Schreie, das schreckliche Kreischen von Metall auf Metall und der grelle Schein und der Geruch des Feuers und stets das sichere Wissen, dass er es hätte verhindern können.
Bei einem Straßenhändler trank er einen Kaffee und ging dann zu dem Pfefferkuchenverkäufer, um zu hören, ob der von seinen einschlägigen Bekannten etwas erfahren hatte. Der Mann war gerade dabei, Scheiben von einem warmen, würzigen Laib an eine Gruppe Kinder zu verteilen, und Monk wartete ein paar Meter abseits, bis er fertig war.
»Und?«, fragte er. Es musste nicht fragen, ob der Mann sich an ihn erinnerte, sein verbeultes Gesicht strahlte.
»Er ist weggegangen, jawoll«, sagte er triumphierend. »Gegen Mitternacht. Gesicht wie ein Donnerwetter. Und nich' mehr als 'ne halbe Stunde später zurückgekommen.«
Eine halbe Stunde. Zu wenig Zeit, um zur Leather Lane zu gehen, Nolan Baltimore zu suchen, ihn umzubringen und zurückzukommen. Monk war dermaßen überwältigt vor Erleichterung, dass er es körperlich spürte. Er konnte Katrina sagen, dass Dalgarno unschuldig war.
»Und er ist nicht noch einmal weggegangen?«
»Erst kurz vor'm Morgengrauen«, sagte der Pfefferkuchenverkäufer bestimmt. »Luchse haben scharfe Augen. Denen entgeht nichts. Können sie sich nicht leisten!«
Er hatte Recht. Wer für einen Einbrecher Schmiere stand, überlebte nur, wenn er sehen, sich erinnern und berichten konnte.
»Vielen Dank«, sagte Monk erleichtert. Er war so froh, dass er dem Mann einen Sovereign gab und noch eine halbe Krone drauflegte, um sich ein Stück Pfefferkuchen zu kaufen.
Um zwei Uhr war er müde, und die Füße taten ihm weh, aber sein Schritt war leicht, als er durch das Parktor ging und einen raschen Blick auf die leuchtend bunten Frühlingsblumen warf. Er musste nur fünf Minuten warten. Sie kam zum Eingang, wo sie stehen blieb und nach ihm Ausschau hielt. Leute drehten sich nach ihr um. Es überraschte ihn nicht, denn sie war sehr eindrucksvoll mit ihrem dramatischen Gesichtsausdruck und ihrer stolzen, aufrechten Körperhaltung. Sie trug ein weißes, dunkelblau eingefasstes Musselinkleid, dessen leuchtendes Mieder ihre femininen Linien betonte, dazu einen breitkrempigen, mit Rosen besetzten Hut und einen mit blauen Bändern verzierten Sonnenschirm. Von ein paar Herren wurde sie regelrecht angestarrt, ihr Lächeln dauerte länger, als die Etikette erlaubte, aber da sie sie aufrichtig bewunderten, hatten ihre Blicke nichts Beleidigendes.
Als sie Monk entdeckte, strahlte sie über das ganze Gesicht wie vor Erleichterung. Er wusste, dass sie sich Tag um Tag hier eingefunden hatte, jedes Mal in der Hoffnung, ihn zu treffen. Er verspürte Befriedigung in sich aufsteigen, denn endlich konnte er ihr sagen, dass Dalgarno, soweit seine Untersuchung ergeben hatte, keinen Betrug begangen hatte, und selbst wenn jemand anders beim Landkauf betrogen hatte, dies nicht zu einem Unfall führen konnte. Ihre Ängste in allen Ehren, aber sie waren unbegründet.
Rasch kam sie auf ihn zu und blieb so nah vor ihm stehen, dass er ihr Parfüm riechen konnte, warm und nach Moschus duftend, ganz anders als das süße, frische Aroma der Blumen um sie herum.
»Sie haben Neuigkeiten?«, sagte sie mit einem Keuchen. »Ich sehe es an Ihrer Miene.«
»Ja.« Er erwiderte ihr Lächeln.
Ihre Augen blitzten, und er sah, dass ihr
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