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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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darum. Woher wusste sie von Arrol Dundas? Diese Frage ergriff so von ihm Besitz, dass er an nichts anderes mehr denken konnte. Er ging ihr nach und hatte sie am Tor des Inner Circle fast eingeholt, aber sie schritt rasch aus. Sie überquerte den Weg und folgte ihm zwischen Wiesen und Bäumen hindurch auf die Brücke zu, die über einen Arm des Sees führte. Am anderen Ende gelang es ihm, sie aufzuhalten, und auch hier reagierten Passanten erschreckt und neugierig.
    »Woher wissen Sie das?«, wiederholte er seine Frage. »Was haben Sie gehört? Und von wem … von Dalgarno?«
    »Dalgarno?«, sagte sie noch einmal ungläubig und brach in ein wildes, fast hysterisches Lachen aus. Aber sie antwortete ihm nicht. Stattdessen wandte sie sich wieder von ihm ab und lief die York Gate in Richtung der stark befahrenen Marylebone Road hinunter. »Ich gehe nach Hause!«, rief sie ihm über die Schulter zu.
    Er lief ihr nach, holte sie wieder ein und ging neben ihr her, als sie an die Straße kam und den Sonnenschirm hob, um eine Droschke herbeizuwinken. Sogleich hielt eine an, und Monk half ihr hinein, bevor er ebenfalls einstieg.
    Sie widersprach nicht, als hätte sie erwartet, dass er sie begleitete.
    »Wenn nicht von Dalgarno, von wem dann?«, fragte er noch einmal, nachdem sie dem Kutscher gesagt hatte, er solle sie in die Cuthbert Street in Paddington fahren.
    Sie sah Monk an. »Sie meinen den Betrugsfall vor vielen Jahren?«
    »Ja, natürlich!« Er hatte die größte Mühe, nicht aus der Haut zu fahren. Es war ungeheuer wichtig. Was wusste sie? Woher konnte sie überhaupt etwas wissen, wenn nicht aus Baltimores Berichten oder aus dem, was er gesagt und sie mit angehört hatte?
    Sie schaute starr geradeaus und lächelte, aber ihr Blick war leer. »Haben Sie geglaubt, ich ziehe nicht auch selbst Erkundigungen ein, Mr. Monk?« Ihre Stimme war hart, heiser. »Haben Sie geglaubt, ich hätte mich nicht nach der Geschichte von Baltimore und Söhne erkundigt, als ich erfuhr, wie tief Michael darin steckte und wie sehr er hoffte, sein Glück mit ihnen zu machen?«
    »Sie haben gesagt, Sie wüssten, dass damals ein Unschuldiger verurteilt wurde«, sagte er grimmig, entsetzt, wie sehr seine Stimme die Gefühle, die ihn schüttelten, verriet. »Woher wissen Sie das? Damals wusste es niemand.«
    »Tatsächlich nicht?«, fragte sie und starrte vor sich hin.
    »Natürlich nicht, sonst wäre er nicht im Gefängnis gestorben!« Er griff nach ihrem Arm. »Woher wissen Sie es? Was ist passiert?«
    Sie drehte sich zu ihm herum, und ihr Gesicht war vor Wut dermaßen verzerrt, dass er zurückzuckte und sie losließ.
    »Ein großes Unrecht, Mr. Monk«, sagte sie leise, ihre Stimme zitterte, ihre Worte waren fast ein Zischen. »Damals wurde Menschen Unrecht getan, ebenso wie heute. Aber Rache wird kommen … das verspreche ich Ihnen. Sie wird kommen … am Grab meiner Mutter … und an meinem, wenn das notwendig ist.«
    »Miss Harcus …«
    »Steigen Sie bitte aus!« Ihr Gesicht war jetzt aschgrau. »Ich muss nachdenken, und zwar allein.« Sie entriss ihm ihre Hand, griff nach dem Sonnenschirm und klopfte damit an die Trennwand, um die Aufmerksamkeit des Kutschers zu erregen. »Ich werde es Ihnen sagen … heute Abend.«
    Sie klopfte noch einmal kräftiger.
    »Ja, Miss?«, fragte der Kutscher.
    »Mr. Monk möchte aussteigen. Wären Sie so freundlich anzuhalten?«, bat sie ihn.
    »Ja, Miss«, sagte er gehorsam und fuhr an den Bordstein. Sie waren an der Ecke Marylebone Street, Edgeware Road, und der Verkehr brauste in beide Richtungen an ihnen vorbei.
    Monk war von tiefer Sorge um sie erfüllt. Sie war so von widerstreitenden Leidenschaften zerrissen, dass sie fast krank aussah. Er hätte alles gegeben, um zu erfahren, was sie gemeint hatte, als sie so vehement behauptet hatte, Dundas sei unschuldig gewesen und dass Rache kommen würde, oder was das gegenwärtige Unrecht war, das er nicht sehen konnte. Aber jetzt, da er wusste, wo sie wohnte, konnte er sie zumindest wieder aufsuchen, wenn sie sich etwas beruhigt hatte. Vielleicht konnte er ihr sogar helfen. Jetzt brauchte sie Ruhe, um sich zu sammeln.
    »Ich werde Sie besuchen, Miss Harcus«, sagte er sehr viel freundlicher. »Natürlich brauchen Sie Zeit, um nachzudenken.«
    Sie gab sich äußerste Mühe, sich zusammenzunehmen, atmete tief ein und stieß die Luft mit einem Seufzen wieder aus. »Vielen Dank, Mr. Monk. Das ist sehr nett von Ihnen. Sie sind sehr geduldig. Wenn Sie mich heute Abend

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