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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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besuchen würden – nach acht, wenn Sie so freundlich wären –, dann sage ich Ihnen, was Sie zu erfahren wünschen. Ich werde noch einmal mit Michael Dalgarno sprechen, und das wird das Ende sein, versprochen. Sie haben Ihre Rolle perfekt gespielt, Mr. Monk. Ich hätte es mir nicht besser wünschen können. Sie kommen also nach acht? Geben Sie mir Ihr Wort – unbedingt?«
    »Ja«, schwor er.
    »Gut.« Der schwache Hauch eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Cuthbert Street Nummer dreiundzwanzig. Sie haben mir Ihr Wort gegeben!«
    »Ja. Ich werde da sein.«
    Er stieg aus und stand auf dem Pflaster, als die Droschke wieder anfuhr und allmählich im Verkehrsgetümmel verschwand.
    Monk fuhr nach Hause in die Fitzroy Street in ein leeres Haus. Er wusch sich und schlief dann endlich. Um zehn nach acht, als das Licht schwand, fuhr er in die Cuthbert Street dreiundzwanzig. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sie abrupt anhielten und der Droschkenkutscher hereinschaute und ihm sagte, er könnte nicht weiterfahren.
    »Tut mir Leid, Sir«, sagte er entschuldigend. »Die Polizei hat die Straße gesperrt. Weiß nicht, was passiert ist, aber da vorne ist mordsmäßig was los. Kann nicht weiter. Sie müssen zu Fuß gehen, falls man Sie durchlässt.«
    »Vielen Dank.« Monk stieg aus, entlohnte den Kutscher und gab ihm acht Pence Trinkgeld. Dann ging er auf die Gestalten unter den Straßenlaternen zu. Es waren drei Männer, von denen zwei miteinander stritten, der dritte, der ihm wegen seiner hohen, schlanken Gestalt bekannt vorkam, schaute auf etwas wie ein Bündel Kleider hinunter, das zu seinen Füßen lag. Es war Runcorn, der früher sein Gegner gewesen war und dann sein Vorgesetzter; der ihn stets gehasst und gefürchtet hatte, bis zu dem Streit, bei dem er Monk im selben Augenblick entließ, als dieser wütend kündigte. Der Fall des ermordeten Modells hatte sie vor wenigen Monaten wieder zusammengeführt, und in geteilten Gefühlen und schmerzlichem, unerwartetem Mitleid waren sie ein unsicheres Bündnis eingegangen.
    Aber was tat Runcorn hier?
    Monk machte größere Schritte, musste sich beherrschen, um die letzten Meter nicht zu laufen.
    »Was ist passiert?«, fragte er, obwohl er es, als Runcorn sich zu ihm umdrehte, bereits sehen konnte. Eine Frau lag auf dem Boden. Ihr weißes, blau eingefasstes Musselinkleid war zerknittert, schmutzig und blutbefleckt. Sie lag halb auf dem Bauch, halb auf der Seite, als hätte sie sich die Wirbelsäule gebrochen. Ihr Hals war in einem merkwürdigen Winkel abgeknickt, ein Arm unter dem Körper verschränkt, die Beine gekrümmt.
    Er schaute instinktiv nach oben und sah über der dritten Etage einen flachen Dachvorsprung mit einem Geländer außen herum wie bei einem Balkon. Darüber befand sich noch ein weiteres Stockwerk mit einer Wohnung, deren Tür er wegen einer Mauer von hier aus nicht sehen konnte.
    Eine Welle der Übelkeit überkam ihn – und dann alles verzehrendes Mitleid. Er sah Runcorn an, und sein Mund war so trocken, dass er kein Wort herausbrachte.
    »Sieht aus, als wäre sie heruntergestürzt«, antwortete Runcorn auf Monks ursprüngliche Frage. »Außer dass sie dem Augenschein nach ein wenig weit weg vom Haus liegt. Und normalerweise stürzen die Menschen rückwärts. Hat sich vielleicht in der Luft gedreht.« Er blinzelte nach oben. »Ganz schön hoch. Von da oben bekommt man sicher einen besseren Eindruck. Schätze, sie könnte auch gesprungen sein.«
    Monk wollte etwas sagen, unterbrach sich jedoch.
    »Was ist?«, fragte Runcorn schroff.
    »Nichts«, sagte Monk hastig. Er sollte nichts sagen … noch nicht. Seine Gedanken rasten. Was, um Himmels willen, konnte da geschehen sein? Sie wäre nie im Leben gesprungen! Nicht Katrina Harcus. Sie war kurz davor gewesen, eine frühere Ungerechtigkeit zu enthüllen. Sie wollte Rache, und diese war greifbar nah gewesen. Und Dalgarno war unschuldig, was sie sich von Anfang an mehr als alles andere gewünscht hatte.
    Ein Wachtmeister kam über den Bürgersteig und schob sich an den Schaulustigen vorbei, die sich inzwischen eingefunden hatten. »Hab einen Zeugen, Sir«, sagte er zu Runcorn. Sein Gesicht war verkniffen und unglücklich, die Schatten, welche die Straßenlaternen warfen, verstärkten den Ausdruck noch. »Sagt, es waren ganz sicher zwei Leute da oben. Er sah, wie sie miteinander rangen, vor und zurück. Hörte sie was schreien, und dann stolperte sie rückwärts, und er setzte ihr nach, und als

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