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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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besaß Mut und Vorstellungskraft, wofür er hoch geschätzt wurde.« Beim Sprechen beobachtete er sie abschätzend, um zu sehen, wie sie seine Worte aufnahm.
    »Und …«, drängte sie ihn.
    Er bewunderte ihre Auffassungsgabe. »Und einige der eingegangenen Risiken zahlten sich wohl aus; andere nicht. Er kam besser durch als manch anderer seiner Freunde. Er war nicht gerade für seine Loyalität bekannt.«
    »Ganz allgemein?«, fragte Hester. »Oder im Besonderen?«
    »Ich hatte nie persönlich mit ihm zu tun.«
    Sie wusste, dass er wegen Courtney so taktvoll war. Er erwartete von ihr, dass sie das, was unausgesprochen blieb, ebenso verstand wie das, was er sagte.
    »Freiwillig?«, fragte sie schnell.
    »Ja.« Er lächelte.
    »Könnte irgendeines der … Risiken … ihn in die Leather Lane geführt haben?«, fragte sie.
    »Dubiose Finanzgeschäfte?« Er machte große Augen. »Auszuschließen ist das nicht. Wenn jemand Geld braucht und die gewohnten Quellen nicht zur Verfügung stehen, geht er woandershin. Ein kurzfristiges Darlehen, das zurückgezahlt wird, wenn eine Investition einen hohen Profit abwirft, kann man an einem solchen Ort sicher bekommen. In dem ein oder anderen Laster steckt eine Menge Geld. Menschen, die es auf diese Art und Weise erwerben, investieren es gerne in ein legitimes Geschäft.«
    »Wirklich … Boyd!«, knurrte Courtney. »Ich glaube, das ist kein Thema, das man in Anwesenheit von Damen besprechen sollte!«
    »Wenn Mrs. Monk als Krankenschwester bei der Armee war und jetzt in der Gegend um den Coldbath Square arbeitet, James, bezweifle ich, dass ich ihr etwas erzählen kann, was sie nicht bereits besser weiß als ich«, meinte Boyd mehr mit Humor als mit Verärgerung.
    »Ich dachte an meine Schwägerin!«, sagte Courtney ein wenig bissig, blickte rasch zu Marielle und wieder zurück, als würde er sich mehr auf sie beziehen als auf seine eigenen Gedanken. »Und meine Frau«, fügte er hinzu, ohne zu merken, dass er Hester damit beleidigte.
    Boyd sah ihn einen Augenblick kalt an und bemerkte, dass er errötete. Dann wandte er sich an Margaret. »Es tut mir Leid, wenn ich Sie beunruhigt habe, Miss Ballinger«, sagte er mit einem leichten Lächeln und fragendem Blick.
    »Ich würde eine Entschuldigung erwarten, wenn Sie mich für nicht in der Lage hielten, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, oder weniger als Mrs. Monk!«, antwortete Margaret hitzig. »Sie haben uns sehr freimütig geantwortet, und dafür bin ich Ihnen dankbar. Bitte verderben Sie Ihren Respekt für unsere Aufrichtigkeit nicht dadurch, dass Sie jetzt ausweichen.«
    Boyd ignorierte Courtney und Marielle, als wären sie gar nicht anwesend.
    »Dann muss ich Ihnen sagen«, antwortete er, »dass ich glaube, dass Nolan Baltimore ebenso wahrscheinlich aus dem allgemein angenommenen Grund in die Leather Lane gegangen sein kann wie aus geschäftlichen Gründen, ehrbar oder auch nicht. Sein Lebensstandard, die Kosten für Kleidung, Kutschen, Essen und Wein deuteten nicht darauf hin, dass die Firma in Geldverlegenheiten war.« Er winkte Courtney, der etwas einwenden wollte, ungeduldig ab und fuhr, ohne den Blick von Margaret zu nehmen, fort. »Seit ich ihn das erste Mal in der City gesehen habe, hat er sich nie einschränken müssen. Es geht das Gerücht, dass seine Gesellschaft kurz vor einem großen Durchbruch steht. Vielleicht hat er wider Erwarten etwas geliehen oder hatte einen Geldgeber mit sehr tiefen Taschen. Doch wenn Sie mich fragen, wer das gewesen sein könnte: Ich habe absolut keine Ahnung. Nicht einmal eine wohl begründete Vermutung. Es tut mir Leid.«
    Ein abwegiger Gedanke ging Hester durch den Kopf, anfangs nur wie ein seltsames Flackern, aber je mehr Zeit verrann, je weniger unsinnig schien er ihr. »Bitte, entschuldigen Sie sich nicht, Mr. Boyd«, sagte sie aufrichtig. »Sie haben uns sehr geholfen.« Sie ignorierte Margarets überraschten Blick und Marielles deutliches Missfallen.
    Boyd lächelte sie an, Neugier und Befriedigung im Gesicht.
    »Welch ein Glück«, sagte Marielle kühl und erklärte das Thema damit für beendet. »Hast du schon die neue Ausstellung im British Museum gesehen, Margaret? Mr. Boyd hat uns eben erzählt, wie faszinierend sie ist. Ägypten wollte ich immer schon einmal besuchen. Die Vergangenheit muss dort sehr gegenwärtig sein. Es würde einem eine ganz andere Perspektive auf die Zeit eröffnen, findest du nicht?«
    »Nur leider hätte ich dann immer noch nicht mehr davon«, sagte Margaret,

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