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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Nächstes dreht er sich um, und sie fällt über die Brüstung.« Er blickte auf die Gestalt auf der Erde. »Armes Ding. Sieht aus, als wäre sie jung gewesen … und ziemlich hübsch obendrein. Eine himmelschreiende Schande.«
    »Was ist mit dem Mann?«, fragte Runcorn und warf einen kurzen Blick auf Monk, bevor er wieder den Wachtmeister anschaute.
    Der richtete sich auf. »Weiß nicht, Sir. Ich habe den Zeugen gefragt, aber ihn hat er nicht gesehen. Die Laterne flackerte zu sehr. Sie hat er besser gesehen, weil sie Weiß trug. Der Mann hat was sehr Dunkles getragen, und er hatte einen Umhang an, eine Art …« Er zuckte die Achseln. »Also, einen Umhang. Der Zeuge sagt, er sah, wie er sich bauschte, als sie kämpften, kurz bevor sie stürzte.«
    Monk wurde übel, als er sich vorstellte, wie Katrina mit jemandem gekämpft und um Hilfe geschrien hatte, und alle hatten bloß zugeschaut! Sie wussten nicht einmal, wer mit ihr dort oben auf dem Dach gewesen war und mit ihr gekämpft … sie umgebracht hatte! Dalgarno? Ganz sicher. Er war der einzige Beteiligte. Vermutlich war er gekommen, da sie mit ihm Kontakt aufgenommen hatte, wie sie Monk ja angekündigt hatte. Sie hatte etwas gesagt, einen Beweis gefunden, den er trotz seiner akribischen Suche übersehen hatte, und das hatte Dalgar-no dazu getrieben, sich auf diese mörderische Weise zur Wehr zu setzen.
    Aber was? Wie hatte er den Betrug begangen? Warum hatte Monk es nicht herausgefunden? Warum war er schon wieder so dumm, so blind gewesen? Und jetzt war noch jemand umgekommen, jemand, für den er alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um zu helfen. Er hatte es ihr versprochen – und versagt.
    Runcorn unterhielt sich noch mit dem Wachtmeister. Monk hockte sich neben die Tote. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Diese Seite ihres Gesichts hatte kaum eine Blessur davongetragen; da war nur ein winziges Rinnsal Blut. Er war klug genug, sie nicht zu berühren, aber er hätte ihr gerne das Haar aus dem Gesicht gestrichen, als könnte sie es noch auf der Haut spüren. Eine Hand lag unter ihrem Körper, die andere war ausgestreckt, und als er genauer hinschaute, entdeckte er, dass sie etwas fest hielt, etwas sehr Kleines. Hatte sie sich im letzten Augenblick, bevor er sie hinunterstürzte, an ihrem Mörder festgehalten und etwas von seinen Kleidern abgerissen?
    Runcorn und der Wachtmeister waren immer noch in ein Gespräch vertieft. Monk streckte einen Finger aus und bewegte Katrinas Hand ein wenig, gerade genug, dass das Objekt sich aus dem schwachen Griff ihrer Finger löste und zu Boden fiel. Es war ein Knopf von einer Herrenjacke oder einem Herrenmantel. Er holte Luft, um es Runcorn zu sagen, und dann wurde ihm heiß, und der Schweiß brach ihm aus, und im nächsten Augenblick fror er entsetzlich. Es war sein Knopf, den sie ihm in einem aufgeregten Augenblick im Park von der Jacke gerissen hatte! Aber das war viele Stunden her!
    »Was haben Sie?« Runcorns Stimme drang in sein betäubendes Entsetzen ein und setzte seiner Unentschlossenheit ein Ende. Er konnte im Augenblick nichts tun und den Knopf keinesfalls verstecken. Mit ungeschickten Fingern knöpfte er die unteren Knöpfe seiner Jacke zu, sodass der obererste auch zu war und man nicht mehr sah, dass ein Knopf fehlte, sondern annehmen konnte, er sei einfach nicht zugeknöpft. Er stand mit zitternden Beinen auf. »Ein Knopf«, sagte er heiser. Er räusperte sich. »Sie hatte einen Knopf in der Hand.«
    Runcorn bückte sich, hob ihn vom Pflaster auf und drehte ihn neugierig hin und her.
    Monk hielt die Luft an. Bitte, Gott, lass Runcorn nicht merken, dass es genau der gleiche ist wie an meiner Jacke! Es war dunkel, und er stand halb vom Licht der Straßenlaterne abgewandt da. Er würde so schnell wie möglich gehen.
    »Allem Anschein nach von einer Herrenjacke«, bemerkte Runcorn. »Hat sie wohl bei der Rangelei abgerissen.« Er steckte ihn in seine Brusttasche. »Gutes Beweisstück.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Wachtmeister zu. »Reden Sie mit den Leuten in der Gegend. Sehen Sie zu, was Sie rausfinden. Wissen wir schon, wer sie ist?«
    »Nein, Sir«, sagte der Wachtmeister. »Sie haben sie kommen und gehen sehen, aber sie hat mit niemandem gesprochen. Schien sehr anständig zu sein. Eine Miss Barker oder Marcus oder etwas in der Art, aber nicht ganz sicher.«
    Dem auszuweichen wäre eine sinnlose Lüge, bei der man ihn früher oder später ertappen würde. »Harcus«, sagte Monk leise.

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