Tod eines Fremden
sich mit der Zunge über die Lippen.
»Im Grunde, es zu widerlegen«, entgegnete er.
»Und er wollte sie fallen lassen und die reiche Baltimore-Erbin heiraten«, fuhr Runcorn unbarmherzig fort. »Das ist mehr als Motiv genug.«
Hester blickte schweigend von einem zum anderen.
»Nur dann, wenn wir den Betrug beim Landankauf beweisen«, meinte Monk. »Und Livia Baltimore ist zwar möglicherweise ziemlich wohlhabend, aber sie ist keine reiche Erbin.«
»Sie wird eine sein, wenn Baltimore und Söhne rollendes Material nach Indien verkauft«, antwortete Runcorn leidenschaftlich. »Es wird sie alle reich machen, und das wird nur der Anfang sein. Da wird unendlich viel Geld fließen.«
Etwas huschte Monk durch den Kopf und verschwand wieder.
»Was ist?«, wollte Runcorn wissen und sah ihn eindringlich an.
Monk saß reglos da und versuchte, sich darauf zu besinnen, es an den Rändern seines Bewusstseins zu packen, aber es war verschwunden. »Ich weiß nicht«, gab er zu.
In Runcorns Augen flackerte kurz Wut auf, die dann aber in Verständnis überging. »Also, sagen Sie's mir, wenn es Ihnen wieder einfällt. In der Zwischenzeit muss ich sehen, dass ich Dalgarno auf den Betrug festnagle.« Er hob am Ende des Satzes leicht die Stimme, als wollte er, dass Monk den Gedanken für ihn zu Ende sprach.
»Ich helfe Ihnen«, sagte Monk sofort. Es war eine Feststellung. Er wollte etwas tun, ob es Runcorn recht war oder nicht.
Runcorn hatte doch sicher Katrinas Wohnung weiter durchsucht. Hatte er Briefe von Emma gefunden? Darauf wäre bestimmt ein Absender. Konnte er es wagen, danach zu fragen? Welche Ausrede konnte er vorbringen?
Der Augenblick verstrich.
Runcorn lächelte säuerlich. »Dachte ich mir.« Er zog einen Packen Papier aus der Tasche, etwa ein halbes Dutzend Blätter, und einen Augenblick hatte Monk das Gefühl, als hätte er laut gesprochen. »Hab die in Miss Harcus' Wohnung gefunden.« Runcorn sah ihn an, jeglicher Anflug von Bitterkeit war aus seinen Augen verschwunden. »Bestellscheine und Quittungen von Baltimore und Söhne. Sie hat ihn wirklich verdächtigt. Ganz schön riskantes Unterfangen, die an sich zu nehmen. Sie war eine tapfere Frau mit einer leidenschaftlichen Liebe zur Wahrheit.« Er hielt die Papiere hoch in die Luft. »Egal, wie sehr sie ihn liebte, sie hätte ihn nicht gedeckt. Als der Verdacht in ihr aufkam, war sie noch mit ihm verlobt, und in absehbarer Zeit hätte sie mit ihm geteilt, was er herausgeholt hätte.« Er schüttelte sehr langsam den Kopf. »Warum sind Menschen solche Narren, Monk? Warum war ihm unredlich verdientes Geld wichtiger als eine wirklich anständige Frau? Und obendrein war sie gut aussehend und jung.«
»Ich nehme an, weil sie ehrlich war«, antwortete Hester an Monks Stelle. »Sie liebte ihn nicht für das, was er war, sondern trotzdem. Vielleicht konnte sein Stolz damit nicht leben. Er sucht Bewunderung.«
»Dann hätte er ein Heiliger sein müssen«, sagte Runcorn angewidert. »Wie es aussieht, wird man ihn dafür hängen. Tut mir Leid, Mrs. Monk, aber so ist es nun mal.« Er hielt Monk die Papiere hin. »Hier, nehmen Sie die, und schauen Sie nach, ob Sie etwas finden. Ich werde mir mal Baltimores Finanzen vorknöpfen. Mal sehen, wie viel Geld Dalgarno bekam, entweder jetzt oder nach der Heirat mit Miss Baltimore.« Er wandte sich an Hester. »Vielen Dank für den Tee. Ich bitte um Verzeihung, dass ich Sie gestört habe.«
Hester lächelte und stand auf, um ihn zur Tür zu bringen.
Monk stand mitten im Zimmer, die Hände geballt und zitternd, sodass die Papiere von seinem Griff ganz zerknittert waren.
Monk las alles, was Runcorn ihm dagelassen hatte, sorgfältig durch. Nichts, was Dalgarno mit irgendetwas anderem in Verbindung brachte als dem Wunsch, einen möglichst großen Profit zu erzielen, und das hatten alle Geschäftsleute gemein. Nichts Ungesetzliches, nicht einmal eine Unterschlagung. Alles, was die Unterlagen zeigten, war, dass Dalgarno mit allen Aspekten der Vermessung und dem Angebot und Kauf von Land zu tun gehabt hatte. Aber das gehörte zu seinen Pflichten. Jarvis Baltimore war offensichtlich für den Ankauf von Bauholz, Stahl und anderen für die Strecke notwendigen Materialien verantwortlich gewesen, und Nolan Baltimore hatte das ganze Unternehmen geleitet und sich um die Regierung und die Konkurrenz gekümmert. In den Pioniertagen der Eisenbahn, etwa eine Generation vor ihnen, war der Wettstreit zwischen den Eisenbahngesellschaften sehr
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