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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und nickte. »Wenn Sie mich brauchen, Sir, bin ich da.«
    »Gut. Falls etwas ist, schicke ich nach Ihnen. Guten Tag.« Und bevor der Mann seine Anspannung bemerken konnte, drehte er sich um und ging, so schnell er es wagte, auf das Haus zu. Er hatte keine Schlüssel. Er würde am Schloss herumfingern müssen, um sich Eintritt zu verschaffen, aber das war eine Kunst, die er in den Tagen vor seinem Unfall von einem Meister gelernt und nicht wieder vergessen hatte.
    Innerhalb von Sekunden war er im Haus und ging die Treppe zu Katrinas Wohnung hinauf. Ihre Wohnungstür zu öffnen ging noch schneller, und dann war er drin. Ein eigenartiges Gefühl umfing ihn, die Stille, der feine Staubfilm, der in dem Sonnenlicht, das durch das Erkerfenster fiel, auf dem Holz zu erkennen war. Für jemand anderen mochte es aussehen wie die Wohnung von jemandem, der in Urlaub war; für ihn war hier der Tod so gegenwärtig, als würde er ihn abwartend beobachten.
    Er zwang seine Aufmerksamkeit in die Gegenwart zurück. Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, was hier geschehen war, sich vorzustellen, wie Dalgarno, falls er es gewesen war, da gestanden hatte, wo Monk jetzt stand, sie umgarnt oder mit ihr gestritten hatte und dann mit ihr hinaus auf den Balkon getreten war – die letzten wütenden Worte, der Kampf und dann ihr Sturz …
    Er suchte nach Papieren, Briefen, Adressbüchern. Wo konnten sie sein? In dem Tisch, wo Runcorn bereits nachgeschaut hatte, oder an einem ähnlichen Platz. Er ging rasch zum Sekretär, öffnete ihn und nahm sich erst die Ablagefächer vor und dann die Schubladen. Für eine Frau, die sich selbst um ihre Angelegenheiten kümmerte, waren sie überraschend leer, und nichts reichte weiter zurück als ein paar Monate. Wahrscheinlich war das der Zeitpunkt, an dem sie nach London gekommen war.
    Es gab keine weiteren Briefe an Emma, was ihn nicht überraschte. Natürlich waren sie alle aufgegeben worden. Der Gedanke, dassEmma sie womöglichhatte,ließ ihn frösteln. Und es schien, als hätte Katrina die Briefe Emmas nicht aufgehoben, zumindest nicht im Schreibtisch. Er fand auch keine Adresse. Hattesiediesesogutgekannt,dasssiesie nichtnotierenmusste?
    Er sah sich um. Wo konnte sie sonst noch Schriftliches aufbewahren? Wo kochte sie? Befanden sich ihre Kochbücher und Haushaltsabrechnungen woanders? Ein Tagebuch? Wo bewahrte eine Frau ihr Tagebuch auf? Im Nachttisch oder im Schlafzimmerschrank? Unter der Matratze, wenn es etwas sehr Persönliches enthielt.
    Er suchte immer verzweifelter, versuchte, nicht nervös zu werden und methodisch vorzugehen, nichts zu übersehen, alles so zurückzulassen, wie er es vorgefunden hatte. Es gab keine weiteren Briefe, kein Adressbuch, nur Kochrezepte, wie jede Frau sie hatte, und kurze Notizen, wie besonders empfindliche Stoffe zu waschen waren.
    Kurz bevor er aufgeben wollte, fand er das Tagebuch. Er hatte sich mit schweißnassem Gesicht aufs Bett gesetzt, die Enttäuschung hatte seine Hände starr und ungeschickt gemacht, da spürte er etwas Hartes in dem mit Spitzen besetzten Zierkissen, das am Kopfende auf der Tagesdecke lag. Er griff in den Bezug und zog ein kleines gebundenes Buch hervor. Er wusste augenblicklich, was es war, und schlug es auf, wobei er aus Angst, was er wohl finden würde, die Luft anhielt. Es konnte alles enthalten, weitere Zweifel an ihm, Worte, die Dalgarnos Schuld bewiesen oder die eines anderen, oder auch gar nichts von Bedeutung. Und er verabscheute es, in ihre Privatsphäre einzudringen. Tagebücher waren oft schrecklich persönlich. Er wollte es nicht lesen, aber er musste.
    Auf dem Vorsatzblatt war eine Widmung: »Für meine liebste Katrina, von Deiner Tante Eveline.« Er blätterte die Seiten flüchtig durch. Das erste Datum war älter als zehn Jahre, und die Einträge waren nur sporadisch erfolgt, manchmal kaum mehr als ein Datum, zuweilen eine ganze Seite, wichtige Ereignisse waren auch schon einmal auf zwei Seiten festgehalten. Er hatte keine Zeit, alle zu lesen, und so konzentrierte er sich auf die jüngsten Eintragungen, besonders seit sie Dalgarno kennen gelernt hatte.
    Er hatte ein schlechtes Gewissen, als er las, was in einigen Fällen die geheimsten Gedanken einer jungen Frau waren über die Menschen in ihrem Leben und die Gefühle, die sie in ihr erweckten. Oft waren ihre Worte jedoch so rätselhaft, dass er nur Vermutungen anstellen konnte, was er lieber nicht tat. Er stellte sich vor, was er empfinden würde, hätte er je seine

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