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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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er sich daran, die alte Asche aufzurütteln, dann nahm er sie mit der Schaufel heraus und kippte sie in den Ascheneimer. Er holte ein wenig Anmachholz herein, um das Feuer rasch anzufachen, dann legte er Kohlen auf, und sobald das Feuer einigermaßen brannte, zog er die Briefe unter seinem Hemd hervor, wo er sie beim Anziehen wieder versteckt hatte, und stopfte sie in den Herd. Sie waren im Nu verbrannt, aber es waren nur zwei, und es musste noch mehr gegeben haben. Wer war Emma? Wie konnte er sie finden? Wo sollte er anfangen zu suchen? Er machte gerade die Ofentür zu, als Hester aus dem Esszimmer hereinkam.
    »Es brennt gut«, sagte er lächelnd.
    »Das ging schnell!« Sie sah ihn erstaunt an. »Wenn du das so gut hinkriegst, sollte ich es dir jeden Tag überlassen.«
    Es war als Neckerei gemeint, und er entspannte sich, weil sie es so ungezwungen sagte. Vertrautes Geplänkel. »Zufall«, sagte er munter. »Reines Glück. Ich bekomme es womöglich nie mehr so gut hin.«
    »Tu nicht so bescheiden!«, erwiderte sie mit einem Blick von der Seite.
    Die Briefe waren verbrannt. Er fühlte sich schuldig deswegen, denn es waren Beweismittel, aber er spürte auch eine Welle der Erleichterung, zumindest für den Augenblick. Es gab ihm Zeit. Er wusste noch nicht, was er wegen der Jacke und des fehlenden Knopfes tun würde. »Ich dachte, du würdest Bescheidenheit schätzen«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch.
    Sie verdrehte die Augen, aber sie lächelte.
    Sie waren eben erst mit dem Frühstück fertig, als Runcorn kam. Er sah angespannt und wütend aus. Zuerst lehnte er den Tee ab, den Hester ihm anbot, dann überlegte er es sich von einem Moment zum nächsten anders und setzte sich schwer an den Tisch, während sie eine frische Kanne aufgoss.
    »Der Mann ist ein Schwein!«, sagte er wütend. Er hatte nicht einmal den Mantel ausgezogen, als wäre er zu wütend, um sich zu entspannen. »Ich werde dafür sorgen, dass er hängt, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!« Er warf Monk einen wütenden Blick zu. »Ein Lügner von der schlimmsten Sorte. Er sagt, er habe nie die Absicht gehabt, Katrina Harcus zu heiraten. Können Sie das glauben?«
    »Nein«, sagte Monk kalt. »Aber ich kann glauben, dass er, als er feststellte, dass er eine Chance bei Baltimores Tochter hatte, die Gelegenheit mit beiden Händen ergriff und Katrina ihm plötzlich nur noch lästig war.«
    Runcorn erstarrte. »Sie haben es gewusst!«, beschuldigte er ihn. »Sie haben mich angelogen. Um Gottes willen, Monk, was haben Sie sich dabei gedacht? Wollten Sie ihre Gefühle schonen oder ihre Würde wahren? Sie ist tot! Und ich wette hundert zu eins, dass Dalgarno sie umgebracht hat! Es …«
    »Ich habe es erst gestern Abend herausgefunden, als ich nach Hause kam!«, schnitt Monk ihm das Wort ab, und seine Stimme war schneidend vor Wut, weil Runcorn ihn vorschnell verurteilte, weil Dalgarno habgierig, falsch und grausam war, weil Katrina so leidenschaftlich einen Mann geliebt hatte, der ihrer, und jeder anderen Frau, nicht würdig war.
    Runcorn betrachtete ihn ungläubig.
    »Hester hat es mir gesagt«, fuhr Monk ihn an. Als er sah, dass Runcorn immer noch zweifelte, fuhr er fort: »Sie hat gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Ich habe ihr gesagt, dass Katrina Harcus tot sei und dass es aussehe, als habe Dalgarno sie umgebracht. Als sie seinen Namen hörte, sagte sie, sie habe Livia Baltimore besucht …«
    »Warum?«, unterbrach Runcorn ihn.
    »Weil Livia Baltimores Vater in der Leather Lane ermordet wurde, und zwar, wie alle annehmen, von einer Prostituierten«, antwortete Monk barsch. »Das wissen Sie doch. Hester hat am Coldbath Square ein Haus eingerichtet, wo Frauen medizinische Hilfe bekommen können.« Er empfand eine gewisse Befriedigung, als er die Verblüffung und dann die Bewunderung in Runcorns Miene sah. Er erinnerte sich an den tiefen und mächtigen Sinneswandel, dessen Zeuge er geworden war, als sie zusammen den Tod des Künstlermodells untersucht hatten, das in die Prostitution gezwungen worden war. Nur widerwillig hatte Monk damals Runcorns Güte erkannt, die er weder ignorieren noch gering schätzen konnte. Er hatte ihn dafür wirklich gemocht.
    »Also ging sie Miss Baltimore besuchen …«, drängte Runcorn.
    Hester kam mit einer Kanne frischen Tees zurück, schenkte, ohne etwas zu sagen, Runcorn eine Tasse ein und schob sie ihm hin. Er nickte dankend, wandte den Blick jedoch nicht von Monk ab.
    »Ja«, antwortete Monk auf die Frage.

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