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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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angenehm und sicher war, die nie mehr von ihr verlangte, als sie zu geben bereit war, und die ihr nie Schmerzen bereitete, die durch das Lachen und die Freude nicht wieder aufgewogen wurden.
    Er hatte sich aus den gleichen Gründen zurückgezogen!
    Er hatte Frauen hofiert, die weich, willfährig und hübsch waren, die ihn nicht herausforderten, ihn nicht verletzten und nicht alles von ihm verlangten, was er zu geben hatte, und die ihm nicht die Vorwände und Schutzschilde entrissen, um sein Herz zu erreichen.
    Wenn er zurück war, würde sie alles anders machen – würde aufhören, gefällig und höflich zu sein und um die Wahrheit herumzuschleichen wie um den heißen Brei. Sie würde zu der leidenschaftlichen Ehrlichkeit zurückkehren, die sie beide am Anfang verbunden hatte, als sie die Dinge mit solch einer Intensität geteilt hatten, dass Berührungen, Worte, selbst das Schweigen wie ein Akt der Liebe waren.
    Aber jetzt musste sie sich beschäftigen und etwas wegen der Frauen unternehmen, die dem Wucherer Geld schuldeten und geschlagen wurden, weil sie ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten. Sie war sich fast sicher, dass Squeaky Robinson der Missetäter war. Aber bevor sie nicht noch einmal mit ihm gesprochen hatte und ein gutes Stück weiter in ihn gedrungen war, war ihr Verdacht nicht genug. Er hatte Angst vor etwas. Es wäre sehr hilfreich zu erfahren, wovor.
    Es war ein warmer Tag. Sie brauchte kaum ein Umschlagtuch, ganz zu schweigen von einem Mantel, und die Straßen waren bis zur Tottenham Court Road, wo sie einen Hansom suchte, voller Menschen. Sie erwog, bei einem Straßenhändler ein Pfefferminzwasser zu kaufen – es sah verlockend aus –, aber dann überlegte sie es sich anders und sparte das Geld. Sie kam an einem Zeitungsjungen vorbei, und ihr Blick fiel auf einen Artikel über den Krieg in Amerika. Schuldbewusst zögerte sie lange genug, um zumindest den Anfang zu lesen, und erinnerte sich mit Schrecken daran, wie sie in die erste furchtbare Schlacht dieses Krieges verwickelt worden war. Es schien, als wäre es den Unionstruppen zutiefst peinlich gewesen, dass viele der Waffen, die aus den kilometerlangen Befestigungsanlagen der Konföderierten ragten, in Wirklichkeit nur angemalte Holzknüppel waren. Die Kanoniere hatten sich schon vor einiger Zeit nach Süden zurückgezogen.
    Sie lächelte über die Ironie und eilte weiter, und an der nächsten Ecke fand sie einen Hansom.
    Sie betrat das Haus am Coldbath Square, nur um Bessie zu sagen, wohin sie wollte, sodass diese, falls Hester gebraucht wurde, nach ihr schicken konnte, und auch, damit jemand wusste, wo sie war. Mehr Sicherheit gab es nicht. Nicht dass sie glaubte, Squeaky Robinson wollte ihr etwas antun. Er hatte keinen Grund, ihr etwas Böses zu wünschen – sie waren angeblich auf derselben Seite, zumindest dachte er das. Dennoch war es eine Art von Vorsichtsmaßnahme.
    Bessie fand es sehr zweifelhaft. Sie stand mit verschränkten Armen und geschürzten Lippen da. »Also, alles, was ich sagen kann, ist, wenn Sie nicht in zwei Stunden heil und gesund wieder hier sind – und ich kann die Uhr lesen –, dann gehe ich Constable Hart suchen! Und ich werde kein Blatt vor den Mund nehmen! Er kommt gleich hinter Ihnen her! Er mag Sie nämlich, jawoll!« Es klang wütend, als sei es eine Drohung. Aber dass Bessie bereitwillig mit einem Polizisten sprechen, ja sich ihm sogar anvertrauen und ihn um Hilfe bitten wollte, war beredtes Zeugnis dafür, mit wie vielen Vorbehalten sie Hesters Unternehmen betrachtete.
    Zufrieden damit, dass sie ihren Standpunkt gut vertreten hatte, dankte Hester ihr, schlang sich trotz der Sonne das Tuch um den Kopf und machte sich auf den Weg zur Portpool Lane.
    Squeaky empfing sie steif. Er saß aufrecht auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch, und ein Tablett mit Teegeschirr stand auf dem einzigen Platz, der nicht mit Papier bedeckt war. Eine Brille klemmte auf seiner langen Nasenspitze, und seine Finger waren voller Tintenflecke. Er wirkte zutiefst unglücklich. Seine Haare standen in alle Richtungen, als wäre er sich unablässig mit den Händen hindurchgefahren.
    »Was wollen Sie?«, fragte er barsch. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ich habe Jessop nicht gesehen.«
    »Ich schon«, sagte Hester schnell, setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und drapierte ihre Röcke etwas eleganter, als wollte sie eine Weile bleiben. »Er will immer noch mehr Geld – das wir nicht haben.«
    »Niemand hat Geld!«, sagte

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