Tod eines Fremden
überprüfen.
»Was ist mir Ihrer Familie, Mr. Dalgarno?«, fragte er. »Haben Sie ihnen Miss Harcus vorgestellt? Ihre Mutter hat Sie doch sicher nach ihr gefragt? Vielleicht wollte sie mehr über sie wissen?«
Dalgarno wandte den Blick ab. »Meine Familie lebt in Bristol. Mein Vater ist bei schlechter Gesundheit, er kann nicht reisen, und meine Mutter lässt ihn nicht allein.«
»Aber Sie und Miss Harcus hätten reisen können«, wandte Monk ein.
Dalgarno wirbelte herum und sah ihn wütend an. »Ich habe Miss Harcus nicht gefragt, ob sie meine Frau werden will!«, fuhr er ihn an. »Sie hat sich das vielleicht eingebildet, aber so sind Frauen!«
»Besonders, wenn man ihnen Grund zu der Annahme gibt«, sagt Monk ebenso heftig.
Dalgarno machte den Mund auf, als wollte er widersprechen, und schloss ihn dann zu einem dünnen Strich.
Monk konnte nichts Hilfreiches mehr erfahren. Am Ende verließ er die überwältigend bedrückende Atmosphäre des Gefängnisses und ging mit Rathbone durch die Newgate Street. Keiner von ihnen sagte, ob er Dalgarno leiden mochte oder nicht, oder erwähnte die Tatsache, dass er kein Mitleid für Katrina Harcus gezeigt hatte und keine Gewissensbisse, dass er sie so unfein benutzt hatte.
»Liverpool«, sagte Rathbone lakonisch. »Wenn es etwas mit Ihrer Vergangenheit zu tun hat, liegt der Hund dort begraben. Die Polizei kümmert sich um das, was in London zu finden ist, also sollten Sie damit nicht Ihre Zeit vergeuden. Ehrlich, Monk, ich weiß nicht, wonach Sie suchen.«
Monk sagte nichts. Er wusste es auch nicht, aber das zuzugeben wäre einer Kapitulation gleichgekommen, die er sich nicht leisten konnte.
Als Monk in die Fitzroy Street kam, war das Haus leer, aber kaum war er zehn oder fünfzehn Minuten zu Hause, da kam Hester völlig aufgeregt herein. Sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie ihn sah, ließ ihre Einkäufe auf den Tisch fallen und trat, ohne zu zögern, auf ihn zu, als zweifelte sie keinen Augenblick daran, dass er sie in die Arme schließen würde.
Er konnte gar nicht anders, als sie fest zu umarmen und zu spüren, wie innig sie seine Umarmung erwiderte.
Sie machte sich frei und schaute zu ihm auf. »William, ich habe den Mord an Nolan Baltimore aufgeklärt, zumindest zum Teil. Ich weiß nicht genau, wer es getan hat, aber ich weiß, warum.«
Er musste unwillkürlich lächeln. »Wir alle wussten es, mein Liebling. Wir wussten es die ganze Zeit. Frag irgendeinen Stiefelputzer oder Straßenhändler. Er hat seine Rechnungen nicht bezahlt. Irgendein Zuhälter hatte was dagegen, und es kam zu einem Streit.«
»Nicht ganz«, sagte sie wie eine unzufriedene Gouvernante.
»Das ist nur eine Vermutung. Ich habe dir doch erzählt, dass es ein Bordell gibt, in dem der eine Partner anständigen jungen Frauen, die aus dem einen oder anderen Grund in Schulden geraten sind, Geld leiht …«
»Ja, hast du. Was hat das damit zu tun?«
»Der Partner war er!«, sagte sie. Und als sie die Entrüstung in seiner Miene sah, fuhr sie fort: »Ich dachte mir, dass du so denken würdest. Er hat das Geld verliehen, und Squeaky Robinson hat das Bordell geführt. Aber Baltimore war dort auch Freier! Deswegen wurde er umgebracht, weil er zu weit ging. Eines der Mädchen hat sich gewehrt und ihn aus einem Dachgeschossfenster gestoßen. Squeaky ließ die Leiche dann zu Abel Smith schaffen.«
»Hast du das der Polizei gesagt?«
»Nein! Ich hatte eine sehr viel bessere Idee.«
Sie glühte vor Zufriedenheit. Er fürchtete, dass er ihr diese würde rauben müssen. »Besser?«, fragte er vorsichtig.
»Ja, ich habe die Schuldscheine verbrannt und Squeaky Robinson aus dem Geschäft geworfen. Wir übernehmen das Gebäude, mietfrei, und die jungen Frauen dort können sich um die Patientinnen kümmern.«
»Das hast du getan?«, fragte er ungläubig. »Wie?«
»Also, nicht allein …«
»Wirklich?« Seine Stimme wurde unwillkürlich höher. »Und wessen Hilfe hast du in Anspruch genommen? Oder wäre es mir lieber, ich wüsste es nicht?«
»Ach, ganz ehrbare«, wandte sie ein. »Margaret Ballinger und Oliver!«
»Was?« Er konnte es nicht fassen.
Sie lächelte und küsste ihn zärtlich auf die Wange. Dann erzählte sie ihm in allen Einzelheiten, was sie gemacht hatten, und endete mit einer Entschuldigung. »Ich fürchte, es wird bei der Geschichte mit dem Eisenbahnbetrug nicht viel nützen. Es hat überhaupt nichts damit zu tun.«
»Nein«, meinte er, aber innerlich verspürte er einen
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