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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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lächelte. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Konkurrenz zu machen, Mr. Robinson«, sagte sie leicht belustigt. »Ich nehme an, Sie haben von meinem Haus am Coldbath Square gehört?«
    »Das habe ich«, räumte er ein und sah sie eindringlich an.
    »Ich habe einige Frauen behandelt, die, wie ich glaube, für Sie gearbeitet haben, aber das ist nur eine Vermutung«, fuhr sie fort. »Sie sagen es mir nicht, und ich frage sie nicht danach. Ich erwähne es nur, um Ihnen deutlich zu machen, dass sich unsere Interessen überschneiden.«
    »Das sagten Sie bereits.« Er rollte das Papiermesser unablässig zwischen den Händen hin und her. Auf dem Tisch waren Papiere verstreut, die wie Bilanzunterlagen aussahen. Es waren Linien darauf und mehr Zahlen als Wörter. Die fehlenden Einkünfte setzten ihm sicher mehr zu als den meisten, was sie sich schon gedacht hatte. Und das stärkte sie.
    »Das Geschäft läuft für niemanden gut«, bemerkte sie.
    »Ich dachte, Sie machen's umsonst«, erwiderte er abrupt. »Insofern vergeuden Sie meine Zeit.«
    »Dann will ich auf den Punkt kommen.« Sie konnte es nicht zulassen, dass er sie wegschickte. »Was ich tue, dient auch Ihren Interessen.« Sie formulierte es als Tatsache und ließ ihm nicht die Zeit, ihr zuzustimmen oder zu widersprechen. »Um meine Arbeit zu tun, muss ich Räumlichkeiten anmieten, und im Augenblick habe ich gewisse Probleme mit meinem Vermieter. Er stellt sich quer und droht immer wieder, die Miete zu erhöhen.«
    Sie sah, dass sich sein Körper unter dem dünnen Jackett anspannte, eine leichte Veränderung der Sitzposition auf dem großen Stuhl. Sie überlegte, wie viel ihn die gegenwärtige Situation wohl schon gekostet hatte. War er knapp bei Kasse? War er selbst der Wucherer oder nur dessen Geschäftsführer? Von der Antwort auf diese Frage konnte ziemlich viel abhängen.
    »Ich bin Geschäftsmann, Mrs. Monk, kein Wohltätigkeitsverein«, sagte Robinson scharf. Seine Tonlage stieg höher, seine Hände packten das Papiermesser noch fester.
    »Natürlich«, sagte sie mit unveränderter Miene. »Ich erwarte aufgeklärtes Eigeninteresse von Ihnen, keine Spende. Sagen Sie mir, Mr. Robinson, haben Sie seit dem unglücklichen Tod von … Mr. Baltimore, wie er, glaube ich, hieß, viel eingenommen?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Sie kannten ihn?«, fragte er misstrauisch.
    »Durchaus nicht«, antwortete sie. »Ich sagte ›unglücklich‹, weil sein Tod etwas unterbrochen hat, das man für diese Gegend als leidlich zufrieden stellende Lage der Dinge bezeichnen könnte, und für eine Polizeipräsenz gesorgt hat, ohne die wir alle besser zurechtkämen.«
    Er schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann jedoch anders. Sie sah, dass er etwas schneller atmete und erneut sein Gewicht verlagerte, als täten ihm die Knochen weh.
    »Die Polizei wird so lange bleiben, bis sie den Mörder gefunden hat«, fuhr sie fort. »Und das wird ihr vermutlich nicht gelingen. Man glaubt, dass er in Abel Smiths Haus in der Leather Lane gestorben ist.« Sie blickte ihn unverwandt an. »Ich halte das für unwahrscheinlich.«
    Robinson schien kaum noch zu atmen. »Wirklich?« Er dachte sorgfältig über ihre Worte nach, woraufhin sie überlegte, ob er Angst hatte, und wenn ja, vor was oder wem.
    »Es bestehen mehrere Möglichkeiten.« Sie blieb bei ihrem lässigen Ton, als besprächen sie etwas von nur geringer Wichtigkeit. »Und niemand wird bei der Entscheidung behilflich sein«, fügte sie hinzu. »Er wurde woanders umgebracht, entweder absichtlich oder zufällig. Und derjenige, der dafür verantwortlich ist, wollte verständlicherweise nicht dafür verantwortlich gemacht werden oder die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken, und so hat er, ebenso verständlich, die Leiche woandershin gebracht. Das hätte jeder so gemacht.«
    »Ich habe nichts damit zu tun«, erwiderte Robinson, aber sie bemerkte, dass sich seine Hände zu Fäusten ballten.
    »Außer dass Sie es, wie wir alle, gerne sehen würden, wenn die Polizei abzöge und uns alle wieder unser normales Leben führe ließe.«
    In seinen Augen flackerte für einen Augenblick Hoffnung auf, sehr kurz, aber unmissverständlich.
    »Und Sie wissen, wie man das erreichen kann?«, fragte er. Jetzt waren seine Hände reglos, als müsste er sich mit aller Kraft auf sein Gegenüber konzentrieren.
    Wenn sie es nur wüsste! Jeder Plan wäre in dieser Situation von Vorteil. Wenn dies das Haus war, wo Fanny und Alice gearbeitet hatten,

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