Tod eines Holländers
e n m arkt bog s i e nach rechts in die Via Vacchereccia ein, eine ku r ze Straße, die auf die Piazza Signoria ei n m ündete, genau gegenüber vom Palazzo Vecchio, dem alten Palast mit seinem Zin n enkranz, den Wappenschildern und dem steinernen Tur m . Bevor sie auf den Platz hinaustrat, blieb sie stehen und sah aber m als auf ihre Uhr. Der Wachtm e ister sah auf die seine: es war zwölf vorbei. Noch immer zögerte sie, be m ü hte sich jetzt, ungezwungen in das Schaufenster eines großen Eckcafés zu schauen, in dem handgefertigte, in dickes gelbes Papier eingewickelte Pralinen zu kleinen P y ra m iden auf g etürmt standen. Der Wachtmeister überlegte, ob sie d ort hineingehen würde, aber nach einem Blick auf die Preisschildchen, die neben den winzigen Schokoladebarren standen, ging sie ein paar Meter zurück und betrat eine gewöhnliche Bar.
Der Wachtmeister, der sie von der Straßenmitte aus beobachtet hatte, m u r m elte » Gut ! « u nd folgte ihr hinein. Trotzdem, dachte er, während er eine Papierserviette nahm und sich ein belegtes Brötchen aussuchte, m it internationalem Dia m antenhandel hat das nicht viel zu tun. Mir scheint, als sei unsere allseits verehrte Signora ein wenig knauserig. Er bestellte einen Kaffee und ein Glas Wasser und sagte sich, während er in seiner Brusttasche nach Geld suchte, daß es für ihn ganz vorteilhaft sei, daß sie nicht in das andere Lokal gegangen war.
Nur drei Tische gab es i n der sch m alen Bar, und an einem von ihnen saß Signora Goossens m it zwei Sandwiches und einem kalten Getränk.
» Gi b t ' s hier ein Telefon ? «
» Dort hinten, in der Ecke.«
»Einen gett o ne, bitte ! «
Von dort hinten konnte er gerade noch die beiden Sandwiches und einen ihrer Schuhe sehen. Während er wählte, sah er dünne, klauenartige Finger nach einem Sandwich greifen, so daß er aus dem Blickfeld verschwand.
»Wache Pitti . «
» Gino? Bist du ' s ? «
» Jawohl, Herr Wachtmeister. W o sind S i e denn? Ihr Mittagessen…«
»Ich weiß, aber ich kann nicht kommen. Ihr könnt euch m eine Portion teilen . «
Die Jungs hatten immer Hunger. Gino war bekannt dafür, daß er schon m al drei Teller Pastasciutta verdrückte, bevor er sich dem Hauptgericht wid m ete. » I rgendwelche Neuigkeiten ? «
» Nur eine. Ein Fixer wurde verhaf t et, als er einen Fiat 500 verkaufen wollte – ursprünglich sollte der Käufer verhaftet werden, und zwar wegen Heroinhandels, er wollte das Auto m i t dem Zeug bezahlen, doch dann stellte sich heraus, daß das Auto geklaut war. Zur Abwechslung haben wir also einen Fiat 5 00 gefunden.«
» Und was ist die Neuigkeit ? « fra g te der Wachtmeister mit vollem Mund.
» Die Neuigkeit ist die, wir werden den Eigentümer suchen, we i l er den Diebstahl des Autos nicht ge m e ldet hat. Lorenzini sagt, daß das auch nie passieren wird, weil das Auto nichts wert ist … «
» Habt ihr überprüft, ob…«
Das zweite Sandwich lag noch auf dem Teller, aber der Fuß war verschwunden.
» Herr Wachtmeister… ? «
Er legte auf und lief los, warf im Vorbeigehen einen Tausend- Lire-Schein auf den Bar t resen. Nur eine Sekunde später, und er hätte sie ve r loren, doch er erkannte ihr beigefarbenes Kleid und ihren ein wenig zu schnellen Schritt, als sie den Palazzo Vecchio betrat. Er reduzierte sein Tempo auf seine nor m ale, ge m ächliche Gangart. Wenn sie wieder Touristin spielen wollte – einverstanden. Der Palazzo Vecchio hatte nur ei n en öffentlichen Eingang, also würde er sich dort hinstellen und warten. Touristen drängten sich scharenweise in den düsteren Innenhof, m achten Blitzlichtau f nah m en von Verocchios Bronzeengel, der seinen dicken Fisch über der dünnen Wasserfontäne festhielt, und es schien ihnen nichts auszu m achen, daß es eine Kopie war, sofern sie es überhaupt wußten. Linker Hand strö m ten Angestellte aus dem Gebäudeteil, in dem das Rathaus untergebracht war.
Die beiden weißbehelmten vigili, die vor dem Haupteingang Wache hielten, warfen einen neugierigen Blick auf den verschwitzten, zerzausten Wachtmeister, d er sie a ber kom m entarl o s grüßte, so daß sie ihr Gespräch fortsetzen und hin und wieder Touristen den Weg zu den m on u m entalen Palasträumen zeigten.
» So kann es nicht weitergehe n « , brum m te der eine Polizist und lüftete seinen Hel m , um ein Taschentuch hineinzulegen. » Ist ja wie in einer Sauna. Ich habe seit drei Tagen nicht m ehr anständig geschlafen.«
»Wird sich bald ändern «
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