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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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, sagte der andere ahnungsvoll, und e i n leises Gru mm eln in der Ferne unters t rich seine Prophezeiung.
    Jetzt erst erinnerte sich der Wachtmeister an die Worte des Blinden – es wird bald e i n Unwetter geben –, und er sah besorgt hoch. Der Him m el war im m er noch klar und blau, doch es war viel schwüler als sonst, und das unruhige Ru m peln war jetzt fast ununterbrochen zu hören. Er schaute in den Innenhof, gerade rechtzeitig, um die Frau beim Verlassen des Gebäudes zu sehen. Als sie ihn erkannte, schreckte sie kurz zusa mm en, drehte sich aber um und tat, als betrachte sie den Bronzeengel und das Wasser, das aus der Fon t äne floß. Wäre es doch besser gewesen, ihr nach drinnen zu folgen? W i eder sah es nach einem Täuschungs m anöver aus, aber wenn sie dort jemand getro f fen hatte… Sehr wahrscheinlich war es n i cht, da sie s i ch nur wen i ge Minuten dort drinnen aufgehalten hatte… Dennoch, immerhin so lange, daß irgendein Gegenstand den Besitzer hätte wechseln können… Sein Blick wanderte prüfend über die Touristen, die m it Fotoapparaten, Rucksäcken und Reiseführern beladen aus dem Gebäude ka m en. Er hätte ihr folgen sollen; darüber, daß er sie hier entdeckt hatte, war sie viel nervöser als noch im Park, wo sie ihm fast in d ie Ar m e gerannt war. Er starrte sie an, wußte, daß sie seinen Blick spürte, auch wenn sie ihm den R ü cken zukehrte. Schließlich rührte sie sich und kam auf ihn zu, d i e Schultern steif und gerade, den Kopf aber gesenkt und ein wenig zur Seite gedreht, obschon sie unverkennbar be m üht war, ihn aufrecht zu halten. Kaum war sie an ihm vorbei, m achte sie wieder d i ese leichte, ner v öse Kopfbewegung, als wollte sie sagen: » Ich kann tun, was ich will, ob es Ihnen paßt oder nicht . «
    Der Wachtmeister folgte ihr quer über den Platz, doch irgend etwas an ihrer Haltung ließ ihn vermuten, daß sie verärgert und enttäuscht war.
    Hatten alle ihre Be m ü hungen, ihn abzuschütteln, nur dazu geführt, daß sie zu einer Verabredung zu spät gekom m en war? Zu spät, um etwas Bestim m tes zu erledigen? An der Ecke Via de Calzaioli blieb sie stehen. An einem Kiosk kaufte sie eine Zeitung und sah kurz hinein. Der Wachtmeister stellte sich auf der anderen Straßenseite in einen Hauseingang und beobachtete diejenigen Körperteile, die hinter der Zeitung hervorschauten. Ihm fiel auf, daß die Abs ä tze der beigefarbenen Schuhe nicht sehr dünn waren und auch nicht so hoch, worauf schon der Blinde hingewiesen hatte. Waren das die Schuhe, die Signora Giusti auf der Treppe gehört hatte? ›Es war eine Frau. Hohe Absätze.‹ Nun, sehr hoch waren sie nicht, aber hoch genug, um sie von Männerschuhen unterscheiden zu können. Er fragte sich, ob sie wohl den berüh m ten Ring trug oder ihn, neben all den anderen Dingen, die sie an ihre Vergangenheit erinnerten, abgelegt hatte. Aus dieser Entfernung konnte er es nicht erkennen. Wie lange sie an dieser Ecke wohl noch stehenbleiben würde? Irgendwann m ußte sie ja weitergehen… Er schaute die Straße hinunter, Richtung Do m platz, wo links der Glockenturm stand. Er sah genauer hin. Der G l ockenturm war verschwunden. Er setzte die Sonnenbrille ab und m usterte sie, bevor er wieder die Straße hinuntersah. Er hatte s i ch nicht geirrt: der Glockenturm war nicht zu sehen. Der nördliche Teil d er Straße war i n einer dicken grauen Wolke untergegangen, die sich unter Regengeprassel langsam heranschob; die Menschen liefen schreiend auseinander und flüchteten sich in Hauseingänge; die Straße war völlig leergefegt, als der erste Blitz mit ei n em ohrenbetäubenden, wütenden Donnerschlag m itten in die Straße fuhr. Die Wolke hatte die Piazza noch nicht erre i cht, und genau über dem Wachtm e ister war der Hi mm el noch strahlend blau. Er sah sich nach einem Zufluchtsort u m , überlegte, ob er es bis zum Palazzo Vecchio schaffen würde, aber die Frau war unter die Markise des Kiosks getreten und hatte offensichtlich vor, dort zu bleiben.
    Der Wachtmeister zog s i ch in einen Hauseingang zurück, der selbst kaum Schutz bot, i m m erhin aber eine Stufe hatte, auf der er etwas erhöht stehen konnte, und die hölzerne Dachtraufe ragte wenigstens einen Meter weit vor.
    Doch die Regenwolke erwischte ihn auch dort. Sie überschüttete ihn, daß er nach Luft schnappen m ußte. Er war pitschnaß, von Kopf bis Fuß. Er drückte sich, so gut es ging, in den Hauseingang zurück, während das Wasser an seinen Füßen

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