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Tod eines Holländers

Tod eines Holländers

Titel: Tod eines Holländers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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vorbeischoß. In der Dunkelheit, die urplötzlich entstanden war, ging jetzt die Straßenbeleuchtung an und verlosch wieder, als an einem der hohen Gebäude ein Blitz herunterfuhr. Ein, zwei Taxis kä m p f ten sich m it ei n geschaltetem Licht auf der Via Calzaioli voran, doch der übrige Verkehr ruh t e, einige Fahrer hatten ihre Autos sogar m i tten auf der Straße stehenlassen.
    Inzwischen war die Frau hinter einem T r upp Touris t en verborgen, die in bunten Plastikregenmänteln zu ihr unter die Markise getreten waren, kreischend die grauen Wasser m assen beobachteten, die vor ihren Füßen dahinschossen, und bei jedem Donnerschlag, der zwischen den hohen Häusern hin und her geworfen wurde, sich die nassen Hände über die kapuzenbedeckten Ohren hielten.
    Der Wachtmeister kannte dieses Ungeheuer. Nachdem es an der m ajestätischen, hoch m ütigen Kuppel des Do m s gezerrt hatte, deren goldene Kugel auf der Spitze die Wolken herausfordernd anfunkelte, würde es in der Stadt heru m toben, die Bevölkerung terrorisieren und alles, was sich ihm in d en Weg stellte, niederwerfen, um sich dann den hohen Bäu m en im Boboli-Garten zuzuwenden, dabei immer höher steigend, bis es schließlich hoch über der Stadt wütend von Bergkuppe zu Bergkuppe springen und den Rest des Tages dort blitzend und gru mm elnd verbringen würde und noch die ganze Nacht, um immer wieder aufs neue die rotweißen Sende m asten zu attackieren, die oberhalb des Friedhofs in den Hi m mel ragten.
    Die Straßenbeleuchtung flammte auf und erlosch wieder. Der Wachtmeister überlegte, ob die Parkwächter schon da m i t begonnen hatten, den Boboli zu räu m en, die Leute darauf hinzuweisen, sich nicht in der Nähe von Bäu m en aufzuhalten, in die jeden Augenblick ein Blitz fahren konnte. Ihm fiel ein, daß er das Badezimmerfenster o ffen gelassen hatte… vielleicht konnte er irgendwo te l efonieren, bevor das Gew i tter den Pitti erreichte… Zwei rotlackierte Füße in dünnen Riemchensandalen ka m en durch das Wasser gepatscht, atemlos sprang ein Mädchen, dessen völlig durchnäßtes Kleid ihr am Leib klebte, auf die Stufe neben den Wachtmeister. Sie trug ein Tablett, auf dem drei Kaffeetassen und ein Stapel sich auflösender Sandwiches heru m schwammen. Sie war ver m utlich unterwegs m it einem I m biß für ihre Kolleginnen in einer Boutique, als sie vom Gewitter überrascht wurde. Ihre dunklen Haare trieften von Wasser. E i n, zwei Mal sah sie die dunkle Straße hinauf und h i nunter, dann lachte sie den Wachtmeister an, hüpfte m i t einem »Was soll ' s ? « hinaus in den Wolkenbruch und lief m i t eingezogenem Kopf davon.
    Die Schuhe des Wachtmeisters standen voll Wasser, das an seinen völlig durchnäßten Hosenbeinen hinuntergeflossen war. Er versuchte, s i ch m it einem Taschentuch ein wenig das Gesicht abzutrocknen, erreichte aber nicht m e hr, als daß das Taschentuch im Nu klat s chnaß war. Der anfangs noch war m e Regen kühlte sich allmählich ab, und der Wachtmeister be g ann zu frieren. Einige Touristen in ihren knallbunten Plastikregenmänteln hatten die Flucht ergriffen, so daß er Signora Goossens wieder sehen konnte, die gefärbten Haare, die ihr in nassen Strähnen am K opf klebten, das ängstlich-blasse Gesich t , die kalten Augen, die das Gewitter m it einem Ausdruck persönlicher Abscheu ansahen. Ob sie es für e i ne Art Gottesurteil hielt? Wenn ja, dann fand sie es offensichtlich nicht gerecht… »Ich kann tun, was ich w i ll … «
    Aber was? Was wollte sie hier nach all diesen Jahren? Und wenn sie ihren Stiefsohn tatsächli c h vergiftet hatte, welchen Grund konn t e sie gehabt haben?
    Das Gewitter hatte sich eine Straße weiter verzogen und war nur noch als gespenstisches Aufleuchten zu sehen, das von ohrenbetäubendem Donnern begleitet wurde, welches dem Wachtm e ister bereits zu heftigen Kopfsch m erzen verholfen hatte. Die Straßenbeleuchtung erzeugte einen fahlen Schein, der noch unheimlicher war als die Düsternis des Unwe t ters, und der schweflige Geruch der elektrischen Entladung ver m ischte sich m i t dem erdigen Geruch des Regenwassers, das von den terrakottafarbenen Dächern herabschoß. Der Regen m achte keine Anstalten nachzulassen, und die Springbrunnen und Gull y s flossen schon über. Das Wasser schoß in hohen Fontänen aus den Regenrinnen und donnerte prasselnd auf die Straße; überall d o rt, wo ein Loch in einem Abflußrohr war, bildete sich ein Wasserfall, und grinsende Wasserspeier spuckten

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