Tod Eines Mäzens
weibisch gehalten, aber in Wirklichkeit war er ein Witwentröster.
Er verlor die Nerven, sackte zusammen und flüsterte jämmerlich: »Das hab ich natürlich im Vertrauen gesagt …«
Trotz seiner protzigen Kleidung sah er noch nicht mal gut aus. Die reichen alten Vetteln, die sich nach ihm verzehrten, mussten grausige Schreckschrauben sein. Mich überlief ein Schauder, und ich ließ Turius zu seinem Platz zurückschleichen.
Ich betrachtete die Chrysippusfamilie. Zeit, die Daumenschrauben anzuziehen.
»Also, wer hat die Ritusii angeheuert, um Avenius aus dem Weg zu schaffen? Chrysippus war tot, aber wer wollte sich sonst noch von dem Erpresser befreien? Sie, Lysa. Sie haben die Bank geerbt, nachdem Sie in den Anfangsjahren eng damit verbunden waren. Sie haben mir erzählt, dass Entscheidungen nie von einer Person allein getroffen wurden. Das heißt, Sie wussten, was vorging. Welche Drohmittel besaß der Historiker? Überhöhte Provisionen? Jahreszinsen über dem gesetzlich erlaubten Maximum von Schuldnern mit zweifelhafter Bonität? Oder Missbrauch des Kapitals? Sie sind Griechin – ich kenne die berühmte Geschichte über das Opisthodomosfeuer, als der Tempelschatz in Athen verbrannt wurde, weil ein geschlossenes Deposit illegal zu Spekulationen benutzt – und verloren – wurde. Klingt das wie etwas, das Sie und Ihr Mann zu tun pflegten?«
»Sie können uns nichts nachweisen«, erwiderte Lysa ruhig.
»Wir können die Bankaufzeichnungen überprüfen.«
Lysa blieb völlig gelassen. »Sie werden nichts Unehrenhaftes finden. Alle alten Kredite sind vollständig zurückgezahlt worden. Im griechischen Bankgeschäft ist es Tradition, nach Rückzahlung eines Kredits den Vertrag zu vernichten.«
Ach, wie praktisch! »Die Vigiles werden Zeugen auftreiben.«
Lysa funkelte mich an. Es gab mir ein merkwürdiges Gefühl, solche Dinge mit einer Frau zu besprechen. Lysa selbst wirkte total ungezwungen; allein ihre Kompetenz ließ schon darauf schließen, dass sie in die üblen Machenschaften der Bank verwickelt war. Sie hätte weibliche Ignoranz in diesen Praktiken vorgeben können, aber der Gedanke schien ihr gar nicht zu kommen.
»Das Goldene Pferd ist für seine hohen Zinsen bekannt«, fuhr ich fort. »Petronius Longus hofft Sie wegen Zinswucher dranzukriegen. Ich selbst möchte diese ›treuhänderischen Transaktionen‹ weiterverfolgen, die Avenius aufgespürt und zu seiner persönlichen Liquidität eingesetzt hat. Ich habe den Verdacht, Lysa, dass Sie in der Anfangszeit in Rom geschlossene Depositen – reguläre Einlagen, wie sie genannt werden – vorschriftswidrig für Spekulationen benutzt haben.«
»Beweisen Sie es!« Sie war wütend, ohne zu wissen, dass es Lucrio war, der mir vorhin unabsichtlich diesen Fingerzeig gegeben hatte. Lucrio erkannte es und wurde bleich.
»Ich werde mein Bestes tun«, versprach ich. Lysa fixierte mich erneut. Wütende Frauen konnten mir nichts anhaben. »Haben Sie also Avenius aus dem Weg räumen lassen, Lysa? Als Chrysippus starb, muss Avenius geglaubt haben, seine Milchkuh verloren zu haben, und darüber hinaus wurde er auch noch von Turius unter Druck gesetzt. Hat er sich an Sie gewandt? Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich gegen Erpressung sehr viel stärker zur Wehr gesetzt haben als Chrysippus.«
»Ich kann Kriecher nicht leiden«, stimmte Lysa zu und zeigte ein seltenes Aufblitzen tiefer Verärgerung. Sie wusste, dass dieses Eingeständnis nichts bewies. Ich beschloss, das Thema fallen zu lassen. Die Vigiles hatten Schwierigkeiten, eine direkte Verbindung zwischen Lysa (oder Lucrio) und den Ritusii zu finden. Das Paar konnte immer noch mit der Beseitigung von Avenius durchkommen, vor allem, wenn es sich nach Griechenland absetzte. Selbst wenn Rubella nach seiner Rückkehr eine Ermittlung für wert befand, würde Petro nur mit hieb- und stichfesten Beweisen erlaubt werden, die Verbrecher aus Übersee zurückzuholen. Wenn Rubella sich jedoch dahinterklemmte, nahm ich an, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde.
Ich wandte mich wieder an den Bankagenten. »Lucrio – auf ein Wort. Selbst wenn Sie nichts von der Erpressung wussten, bevor Chrysippus starb, müssen Sie es in dem Moment kapiert haben, als wir Ihre Unterlagen beschlagnahmten.« Es war denkbar, dass er sie so schnell hatte zurückhaben wollen, um zu sehen, ob sein verstorbener Herr die Grenze überschritten hatte. Doch wahrscheinlicher war, dass er nur zu gut wusste, was geschehen war.
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