Tod Eines Mäzens
den Boden unter den Füßen wegziehen konnte, wenn ich zu selbstherrlich wurde.
Lucrio schlenderte herbei, an einem Mund voll Riesengarnelen kauend. »Wie geht es Ihrer Mutter, Falco?«
»Deprimiert wegen ihrer Ersparnisse, wie Sie wissen.«
»Nicht nötig.« Er war absichtlich zu uns herübergekommen. »Die Summe kann ich nicht nennen, aber sie hatte alles in geschlossenen Depositen.«
Ich schnappte mir ein paar Oliven von einem vorübergetragenen Tablett. »Was heißt das?«
Er schnaubte verächtlich wegen meiner Unwissenheit. »Geschlossene oder reguläre Depositen sind genau das: Die Münzen oder Wertgegenstände werden in Beuteln verwahrt, die mit einem Siegel verschlossen werden. Sie dürfen nicht angerührt werden. Offene oder irreguläre Depositen sind solche, bei denen der Bankier das Recht hat, das Geld Gewinn bringend anzulegen – es in entsprechende Projekte zu investieren, aus denen sich Einkünfte ergeben.«
»Für den Kontoinhaber oder für Sie?«, gab ich ebenso höhnisch zurück.
Er ging darüber hinweg. »Geschlossene Depositen bleiben vollständig im Besitz des Kontoinhabers und müssen auf Verlangen unberührt zurückgegeben werden. Ehrlich gesagt betrachtete die Aurelianische so etwas als eine Verschwendung von Ressourcen. Ich habe mit allen Mitteln versucht Junilla Tacita davon zu überzeugen, dass ihr Kapital ihr Einkünfte bringen würde, aber sie blieb stur.«
Das waren erfreuliche Neuigkeiten. Helena lächelte. »Sie wollte ihr Geld nur an einem sicheren Ort aufbewahren und kein Risiko eingehen? Das ist typisch deine Mutter, Marcus. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie beschloss, dass niemand mit ihrem Geld rumspielen soll.«
Lucrio verzog das Gesicht. »Scheint mir eine sehr gerissene Dame zu sein. Als wir die Münzen geprüft haben, kamen dabei die wenigsten Fälschungen und Kupfer-›Seelen‹ zum Vorschein, die unserem Geldwechsler bei einem einzigen Schwung je untergekommen waren.«
Ich kicherte. »Meine Mutter beißt nicht nur auf jede Münze, um sie zu überprüfen, sie erschreckt auch jeden zu Tode, der so aussieht, als könnte er ihr Falschgeld andrehen wollen! … Wie sieht es jetzt für sie aus, nachdem die Bank in Konkurs gegangen ist?«
»Die Liquidatoren können ihr Geld nicht anrühren«, gab Lucrio kurz angebunden zu. Hätte er das auch Mama gesagt, wenn ich ihn nicht gefragt hätte? »Wenn sie es zurückhaben will, sollte sie es abholen.«
»Ich komme und hol es.«
»Das muss sie selbst tun, Falco. Das normale Verfahren«, knurrte Lucrio. Wie vernünftig. Man will ja nicht, dass verderbte Söhne ihre armen alten Mütter beklauen.
Ich hatte die anderen im Auge behalten. Der Versammlung war Zeit gegeben worden, sich zu entspannen; jetzt hielten sie Ausschau nach einem zweiten Becher vom Getränketablett. Nun musste ich sie wieder zur Ordnung rufen.
»Vielen Dank, meine Damen und Herren. Würden Sie jetzt bitte an Ihre Plätze zurückkehren?«
Dann unterhielt ich mich kurz mit dem Aufsicht führenden Sklaven, wobei ich darauf achtete, dass alle sahen, wie ich mir Notizen über das Gesagte machte.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Übrigens war das ein kleiner Test, den ich durchgeführt habe. Wir wissen, dass der Täter nach dem Mord an Chrysippus im Vorraum stehen blieb und sich ein Stückchen Nesselpastete vom Mittagsmahl des Toten klaute.« Alle bewegten sich unbehaglich, wobei die Gescheiten bereits mitgekriegt hatten, worum es ging. »Wie Sie vielleicht bemerkt haben, waren die Tabletts heute ziemlich groß. Wir haben die teuersten und schmackhaftesten Leckereien um den Rand herum gelegt, in bequemer Reichweite, während in der Mitte, wo man den Arm strecken musste, Nesselpastetchen lagen. Ich habe gerade überprüft, wer davon genommen hat …«
»Ach, um Himmels willen!« Lysa kochte vor Wut. »Sie haben doch wohl nicht vor, das als Beweis zu nehmen, um jemanden anzuklagen.«
Ich lächelte. »Wohl kaum. Ich weiß, wie schlecht das bei Marponius, dem für Mordfälle zuständigen Magistrat, ankäme – und wie viel Hohn ein Verteidiger darüber ausgießen würde. Außerdem«, fügte ich unbeschwert hinzu, »wenn die Nesselpastete ausreichen würde, jemanden zu überführen, müsste ich, nach der Menge, die er in sich hineingestopft hat, den Ermittlungschef Petronius Longus verhaften.«
Petro bemühte sich, nicht verlegen auszusehen. Ich gab ihm absichtlich die Liste derer, die ebenfalls von der Pastete gegessen hatten. Er las sie
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