Tod Eines Mäzens
Junia überfallen worden, zusammen mit Ajax, ihrem unerzogenen und nicht zu bändigenden Hund, ihrem scheußlichen Mann Gaius Baebius und ihrem tauben, aber lauten Sohn.
XVI
Ich warf meiner Liebsten ein heimliches Grinsen zu. Da ich bei der Ankunft der Besucher nicht hier gewesen war, zählte es als ihr Fehler. Sie nahm es mit einem matten Lächeln auf. Marcus Baebius Junillus, inzwischen drei Jahre alt, kam auf mich zugerannt, sobald ich mich müde auf den ersten zur Verfügung stehenden Hocker hatte sinken lassen. Er kletterte auf meinen Schoß, schob sein Gesicht vor meines und machte meine heimliche, nur für Helena bestimmte Grimasse nach – seine Sehkraft war völlig in Ordnung. Gleichzeitig knurrte er laut wie ein entsetzliches wildes Tier. Ein Spiel – vermutlich. Wir sahen ihn nicht oft, daher mussten wir uns jedes Mal von neuem an ihn gewöhnen.
Er war nach mir benannt. Das machte ihn nicht einfacher im Umgang. Junia und Gaius, die keine eigenen Kinder hatten, adoptierten den kleinen Wicht, nachdem seine Eltern ihn ausgesetzt hatten, als sie merkten, dass er taub war. Als ich ihn abzuwehren versuchte, packte Junia ihn. Sie drehte ihn zu sich rum, fasste ihn an den Handgelenken – ihre Methode, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen –, legte ihre Hände zu beiden Seiten an sein kleines Gesicht, drückte seine Wangen zusammen, damit sein Mund dem von ihr ausgesprochenen »On-kel Mar-cus!« folgen konnte. Der Kleine beruhigte sich etwas, wiederholte die Worte annähernd richtig. Er war ein hübscher Junge, zeigte jetzt auch einige Intelligenz und beobachtete Junia aufmerksam. Wenn jemand es schaffen konnte, dann würde meine Schwester ihn eines Tages zum Sprechen bringen.
»Sie macht das stundenlang mit ihm«, berichtete uns Gaius Baebius bewundernd. Er hatte sich auf meinen Lieblingsplatz gesetzt und hielt meinen besten Becher in beiden Händen. »Zu Hause malen wir auch Bilder. Er lernt allmählich, und er ist auch ein guter kleiner Künstler.« Gaius liebte den Jungen (er liebte sogar meine Schwester, was gut so war, weil es sonst niemand tat). Trotzdem nahm ich an, dass er als Vater nicht viel taugte. Er und Junia waren wie füreinander geschaffen – engstirnige, ungeheuer ehrgeizige Kleingeister. Wobei Junia allerdings Grips und Durchhaltevermögen besaß. Ja, ich hätte sie womöglich sogar erträglicher gefunden, wenn sie nicht so gescheit gewesen wäre. Junia war drei Jahre älter als ich. Sie hatte mich immer als einen dreckigen Schandfleck betrachtet, der einen frisch geputzten Boden beschmutzte.
Ajax, ihr verrückter Hund, sprang mich jetzt an. Er war schwarz-weiß, hatte eine lange Schnauze, gefährlich aussehende Zähne, die sich gelegentlich in einem Fremden vergruben, und eine lange, haarige Rute. Er ließ Nux, die eine Herumtreiberin war, regelrecht gut erzogen wirken. Gerade als ich ihn packen wollte, sprang er wieder weg. Dann bellte er ununterbrochen, rannte im Kreis herum und wollte unbedingt ins Schlafzimmer, wo Helena Nux eingesperrt hatte, wie ich vermutete.
»Du regst ihn auf«, warf Junia mir vor. »Jetzt gibt er keine Ruhe mehr.«
»Ich werde ihn auf der Veranda anbinden. Nux erwartet Welpen, und ich will nicht, dass er sie jagt.«
»Wird Zeit, dass du dir auch ein zweites zulegst, Helena!« Junia wusste instinktiv, wie sie Helena in Rage bringen konnte.
»Du wirst schon genau wie Mama«, sagte ich.
»Und da ist noch was …« Offenbar war schon eine Beschwerde ausgesprochen worden, bevor ich ankam. »Ich mache es dir zum Vorwurf, dass du Mama diesen scheußlichen Mann aufgehalst hast.«
»Falls du Anacrites meinst, der lag zu der Zeit im Sterben. Ich wünschte, er hätte das zu Wege gebracht, aber so sind Spione eben nun mal. Wenn er aussieht, als hätte ihm jemand den Schädel eingeschlagen und er die Nacht nicht überleben würde, kommt plötzlich raus, dass er eine eiserne Konstitution hat und dich nur zum Narren halten will. Und dann sticht er dir das Messer in den Rücken.«
»Es ist abscheulich!«, blaffte Junia. Ihre schwarzen Kleopatra-Ringellocken zitterten, und das, was bei ihr den Busen darstellte, schwoll vor Empörung unter dem abgetragenen Stoff ihres zu oft gewaschenen Kleides an.
»Er bezahlt Mama Miete. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ein ruhiger Mieter ist nicht zu viel für sie. Mama liebt es, jemanden zu haben, den sie betutteln kann. Seit Anacrites bei ihr wohnt, sieht sie richtig schmuck aus.«
»Du hast ja keine Ahnung!«, schäumte meine
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