Tod Eines Mäzens
einer tropfenden Wabe. Er mochte Frauen. Tja, das verschafft einem Autor stets die doppelte Menge an Publikum. »Sie schreiben demnach jede Art von Stücken?«, fragte sie.
»Tragische, komische, romantische, abenteuerliche, mystische, historische.«
»Vielseitig! Und Sie müssen die Welt wirklich studiert haben.« Er lachte. »Das tun nur die wenigsten Schriftsteller.« Dann lachte er erneut. »Die werden nie so viele Kühe besitzen wie ich.«
»Schreiben Sie wegen des Geldes oder wegen des Ruhms?«, wollte ich wissen.
»Ist das eine etwas wert ohne das andere?« Er hielt inne, beantwortete meine Frage nicht. Das Geld musste er bereits besitzen, aber wir wussten, dass über seinen Ruf gemunkelt wurde.
»Und«, warf ich hinterhältig ein, »was hatte Chrysippus Ihnen an dem Tag, als er starb, zu sagen?«
Urbanus wurde still. »Nichts, was ich hören wollte.«
»Ich muss trotzdem fragen.«
»Das ist mir klar.«
»Hatten Sie ein freundliches Gespräch?«
»Wir hatten gar kein Gespräch.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich nicht hingegangen bin.«
»Sie stehen auf meiner Liste.«
»Na und? Mir wurde gesagt, dass der Mann mich sehen wollte. Ich hatte keinen Grund, ihn zu besuchen. Also blieb ich weg.«
Ich schaute auf meine Notizen. »Ich habe hier eine Liste der Besucher, nicht nur derjenigen, die eingeladen worden waren.«
Urbanus blinzelte nicht. »Dann stimmt die Liste nicht.«
Ich atmete tief ein. »Wer kann Ihre Worte bezeugen?«
»Anna, meine Frau.«
Wie aufs Stichwort erschien sie mit einem Kleinkind an der Brust. Ich fragte mich, ob sie gelauscht hatte. »Ehefrauen können vor römischen Gerichten nicht auftreten«, erinnerte ich ihn.
Urbanus zuckte mit weit ausgebreiteten Händen die Schultern. Er schaute zu seiner Frau. Ihr Gesicht war ausdruckslos. »Wer will mich denn anzeigen?«, murmelte er.
»Ich, wenn ich Sie für schuldig halte. Ehefrauen geben kein gutes Alibi ab.«
»Ich dachte, nur dazu seien sie da«, kam es leise von Helena.
Urbanus und ich schauten sie an und ließen ihr den Scherz durchgehen. Anna stillte ihr Kind. Eine Frau, die es gewöhnt war, ruhig dabeizusitzen und zuzuhören, was um sie herum vorging, eine, die vielleicht so unauffällig war, dass man sie vergaß …
»Ich hatte keinen Grund, mich mit Chrysippus zu treffen«, wiederholte der Dramatiker. »Er ist – war – ein Drecksack in der Zusammenarbeit. Theaterstücke verkaufen sich nicht gut, zumindest nicht die modernen. Bei den Klassikern ist es was anderes. Aber mir gelingt es, publikumswirksam zu schreiben, im Gegensatz zu den meisten traurigen Verlierern, die Chrysippus unterstützte. Daher hab ich ein neues Skriptorium gefunden, das meine Arbeit veröffentlicht.«
» Sie haben ihn also fallen gelassen? Hatten Sie einen Vertrag mit ihm?«
Er schnaubte. »Sein Fehler! Er hat das abgelehnt. Ich dachte – das heißt, Anna dachte –, dass er vielleicht versuchen würde, mich an sich zu binden. Das war ein weiterer Grund, ihm aus dem Weg zu gehen.«
»Und wäre das ein Grund gewesen, ihn umzubringen?«
»Nein! Ich hätte nichts dadurch gewonnen und alles verloren. Ich bin am Eintrittsgeld beteiligt, vergessen Sie das nicht. Er war für mich nicht mehr wichtig. Ich verhandle direkt mit den Ädilen oder privaten Produzenten, wenn meine Arbeit aufgeführt wird. Als ich jünger war, bedeuteten die Tantiemen für Schriftrollen alles, aber jetzt sind sie nur noch Marginalien. Und mein neues Skriptorium hat einen Laden auf dem Forum – viel besserer Publikumsverkehr.«
»Wusste Chrysippus davon?«
»Das bezweifle ich.«
Ich überlegte, was wohl mit den Truhen voller Eintrittsgelder passierte, nachdem die Familie die Rechnungen für ihren bescheidenen Lebensunterhalt bezahlt hatte. »Sind Sie Kunde bei seiner Bank?«
Urbanus warf den Kopf zurück und lachte brüllend. »Sie machen wohl Witze, Falco!«
»Alle Bankiers bescheißen ihre Kunden«, erinnerte ich ihn.
»Ja, aber er hat schon genug an meinen Stücken verdient. Ich sah keinen Grund, von demselben Mann zweimal betrogen zu werden.«
Während ich nachdachte, steuerte Helena eine weitere Frage bei. »Falco sucht natürlich nach Motiven. Ihnen scheint es besser zu gehen als den anderen. Trotzdem gibt es neidische Stimmen gegen Sie, Urbanus.«
»Und was sagen sie?« Falls er es wusste, ließ er es sich nicht anmerken.
Helena sah ihm direkt in die Augen. »Man munkelt, dass Sie Ihre Stücke nicht selbst schreiben.«
Woraufhin Anna, seine Frau, wütend
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