Tod eines Mathematikers
uns?«, erkundigte sich Mahlberg, während sich Natascha auf ihn setzte und mit rhythmischen Reitbewegungen begann.
»Keine Ahnung, zuzutrauen wär’s uns ja«, antwortete Mackenroth und genehmigte sich eine Prise des weißen Pulvers, bevor er von hinten in die auf dem Sessel kniende Nadeshda einfuhr.
»Beziehungsweise Mutti und Konsorten«, präzisierte Schäflein, dem Svetlana 2 gerade viel Freude mit ihrer Zunge bereitete, die sie vorher in das Puder getunkt hatte.
Nach einigen weiteren Stellungswechseln und zwei Doppeldeckern mit den beiden Svetlanas hatte die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht. »Wie wär’s, meine Herren? Gemeinsames Finale? Vielleicht klappt’s ja mit dem Timing«, schlug Mackenroth vor und Mahlberg, Schäflein und von Zirzewitz folgten seiner Anregung. Svetlana 1, Svetlana 2, Natascha und Nadeshda knieten sich nebeneinander in eine Reihe. Die Herren nahmen vor ihnen Aufstellung.
Von der kleinen, laufenden Kamera in einer abgedunkelten Ecke des Raumes und von den Mikros, die überall verteilt waren, bemerkte keiner der vier Repräsentanten etwas.
*
Clooney hielt Wort. Ein paar Tage nach unserem Besuch in Hamburg lag ein Umschlag mit dem Zweitschlüssel der Villa meines Vaters in meinem Briefkasten. Der Professor hatte eine Karte beigelegt. Seine geschwungenen Buchstaben erinnerten mich an die Schönschreibfibel aus meiner Schulzeit. Da stand in königsblauer Tinte:
Liebe Dame Katzenstein,
ich möchte Sie um Verzeihung bitten, dass ich Sie so indiskret nach Ihrer Familiengeschichte gefragt habe. Es war nicht meine Absicht, Sie in Verlegenheit zu bringen oder gar alte Wunden aufzureißen. Darf ich Sie zur Wiedergutmachung zum Essen einladen? In Bremen natürlich, damit Sie nicht noch einmal den Weg nach Hamburg auf sich nehmen müssen. Ich würde mich sehr freuen.
Ihr Ansgar Freitag.
Auf der Rückseite der Visitenkarte, die Clooney beigelegt hatte, hatte er seine Handynummer notiert. Dieser Typ hielt sich wohl für unwiderstehlich. Selbstverständlich würde ich mit ihm essen gehen – allerdings nur, um noch mehr Infos zu bekommen.
Mein Auftritt bei den Mathematikern trieb mir noch immer die Schamesröte ins Gesicht. Ich hätte vorher keinen Rotwein trinken sollen. Aber ich hatte das Bedürfnis gehabt, mir Mut anzutrinken. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, so gut wie Matze sich geschlagen hatte. Seit unserem Ausflug nach Hamburg sah ich in Matze nicht mehr nur einen Kollegen, eher einen Freund.
Ich warf Clooneys Karte auf meinen Schreibtisch. Der Professor konnte warten. Ich musste zuerst etwas erledigen, das ich schon lange vor mir hergeschoben hatte. Ich wollte zu Ernst Willich, dem Mann von Helga, der Haushälterin meines Vaters. Er war mein einziger Anhaltspunkt, da er bis zum Schluss Kontakt zu meinem Vater gehalten hatte. Vielleicht wusste er mehr über ihn und konnte mir helfen, den oder die Mörder zu finden.
Ich schämte mich ein bisschen, weil ich nicht die Kraft aufgebracht hatte, zur Beerdigung seiner Frau zu gehen.
Ernst Willich wohnte etwas außerhalb in Bremen-Arsten. Mit der Straßenbahn war ich eine gute halbe Stunde unterwegs. Es wurde Zeit, dass die Führerscheinstelle meinen Lappen wieder rausrückte. Warum ich meinen Führerschein verloren habe? Herrje, Sie wollen es aber auch immer ganz genau wissen. Zu schnell gefahren. Okay, ein bisschen Alkohol war auch im Spiel.
Ich hatte Ernst Willich vorher nicht angerufen, weil ich mir bis zur letzten Sekunde vorbehalten wollte, umzukehren. Dafür nahm ich das Risiko, dass ich ihn nicht antraf, gern in Kauf.
Doch in den Fenstern des kleinen Reihenhauses brannte Licht. Ich zögerte einen Moment, bevor ich auf den Klingelknopf drückte. Wauwauwau. Willichs Klingel sollte Einbrechern vorgaukeln, dass ein Hund im Haus sei. Dabei hörte man sofort, dass dieses metallische Bellen nicht von einem Hund stammte.
»Alexandra, das ist aber eine schöne Überraschung«, begrüßte Willich mich und quälte seine Mundwinkel zu einem Lächeln in die Höhe. »Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug, aber ich war nicht auf Besuch eingerichtet.« Willich sah an sich herunter; er trug einen ausgebeulten, dunkelblauen Jogginganzug.
»Ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie so überfalle«, antwortete ich. »Wenn es nicht passt, komme ich gern ein anderes Mal wieder.«
»Nein, nein«, lehnte Willich ab, trat einen Schritt zur Seite, um mich ins Haus zu lassen. »Uns tut es doch beiden gut, über diese schreckliche Sache
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