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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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nicht erst in die Gänge kommt. Warum? Weil erneuerbare Energie nur eine Rendite von vier bis fünf Prozent bringt. Die Stromgiganten sind aber Gewinne von um die zwanzig Prozent gewohnt. Und wenn es jetzt auch noch ein System gibt, mit dem genau berechnet werden kann, wann Ökostrom günstig aufgekauft werden kann und der Strompreis sinkt, verdienen die ja noch weniger Geld.«
    Alexandra sah Matze erstaunt an. »Für einen Fotografen weißt du aber eine ganze Menge, ist mir schon bei den Mathefuzzis aufgefallen.«
    »Regelmäßiges Lesen bildet angeblich«, grinste Matze und genehmigte sich ein weiteres Röllchen mit irgendwas.
    »Wie viele Stromriesen gibt es in Deutschland?«, fragte Alexandra.
    »Vier«, antwortete Matze mit vollem Mund. Er steckte gerade im Thema, weil er sich nach seinem Umzug einen neuen Stromanbieter hatte suchen müssen.
    Alexandra schüttelte den Kopf. »Das sind Konzerne. Wenn da jemand einen Mordauftrag vergibt, bleibt das doch nicht verborgen. Wie stellst du dir das denn vor? Der Chef sagt: ›Der Katzenstein muss weg‹, schreibt womöglich noch einen Vermerk. Und dann zieht der Auftragskiller los, um meinen Vater um die Ecke zu bringen? Und die Sekretärin weist das Honorar an. Wir leben doch hier nicht in Russland oder China.«
    »’tschuldige, meine Liebe, dass ich das so offen sage: Du bist ganz schön naiv.«
    Matze konnte nicht an sich halten. Der Oberschullehrer in ihm musste wieder raus. »In diesem Land ist sogar mal jemand von der CIA entführt, ins Ausland verschleppt und gefoltert worden, weil man ihn für einen Terroristen hielt. Oder sagt dir der Name El Masri nichts? Oder vielleicht Ulrich Schmücker? Der ist sozusagen vor den Augen des Verfassungsschutzes erschossen worden. Die Pistole fand man fünfzehn Jahre später bei den Schlapphüten im Tresor. Beweise wurden unterdrückt oder manipuliert, sodass das Gericht den Mord nie aufklären konnte. Vielleicht waren es nicht die Stromkonzerne, die einen Berufskiller auf deinen Vater gehetzt haben. Ein durchgeknallter Lobbyist tut’s auch. Vielleicht sollten wir einfach mal das tun, was wir gelernt haben: recherchieren.«
    Alexandra sah Matze an. Und sagte nichts. Eine ganze Weile nicht. Trank ihren Sake. Matze sah richtig, wie es in ihrem mathematisch unbegabten Hirn arbeitete.
    Plötzlich knallte sie ihren Becher auf den Tresen. So laut, dass die Eppendorf-Schickse ein paar Plätze weiter wieder pikiert zu ihnen sah.
    »Wenn du recht hast, sind das Leute, die Macht haben. Die können sich Berufskiller leisten. Und wenn die rausfinden, dass wir ihnen auf der Spur sind, könnte es gefährlich für uns werden. Und weißt du was?« Alexandra legte eine Kunstpause ein.
    Matze schüttelte den Kopf. Er hatte wirklich keine Ahnung, worauf seine Kollegin hinauswollte.
    »Jetzt will ich die Wahrheit erst recht wissen«, fuhr Alexandra mit fester Stimme fort. »Koste es, was es wolle. Und wenn es mein Leben ist.«
    *
    In dieser Nacht fand Harry Tenge keinen Schlaf. Er saß vor seinem Rechner und grübelte über den Akten, die er aus Kühlborns Büro geklaut hatte. Die Handakte, in der der Moko-Chef nur die wichtigen Aussagen für den täglichen Gebrauch abgeheftet hatte, war eher dünn. Es würde Wochen dauern, bis Harry die Spurenakten, die er sich an seine geheime E-Mail-Adresse geschickt hatte – sechsunddreißig abgescannte Aktenordner –, durchgeackert hätte.
    Merkwürdig, dachte Harry. Obwohl Kühlborn, wie Blum ihm erzählt hatte, seine Mitarbeiter zurückgepfiffen hatte, ging er offenbar felsenfest davon aus, dass die fünf Frauen einem Serienmörder zum Opfer gefallen waren. Fünf Frauen waren seit 1985 in Bremen spurlos verschwunden, immer genau im Abstand von fünf Jahren. Die letzte 2005. Nächste Fälligkeit dieses Jahr hatte Kühlborn in seiner Handakte notiert. Ohne Fragezeichen, so als ob er Gewissheit hätte. Fälligkeit – ein Wort wie aus der Buchhaltung.
    Harry klickte sich durch die Aussagen. Seitenlang hatten sich Nicoles Eltern über ihre Tochter ausgelassen. Nicole hatte ein weiches Herz, sie war sehr hilfsbereit. Sie liebte Tiere und Kinder über alles. Die Eltern zeichneten das Bild einer lebenslustigen jungen Frau, die ihr Studium ernsthaft und zügig betrieb. Die beliebt war, kontaktfreudig.
    In den Akten hatte Harry noch keinen Hinweis auf einen Mann in Nicoles Leben gefunden. Die Eltern hatten ausgesagt, dass sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens solo gewesen sei. Aber Eltern wissen auch nicht

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