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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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abgesetzt. Das hatte schon richtig krankhafte Züge. Er weigerte sich einfach zu glauben, dass ihr etwas zugestoßen sein konnte. Natürlich wollte er über ihren Tod berichten, aber nachdem ihm auch ein gewisser Herr Kühlborn, ich meine, das ist sogar der Chef der Mordkommission, eingebläut hatte, dass das aus ermittlungstaktischen Gründen eher kontraproduktiv sei, ließ er es bleiben. Natürlich war er auch auf der Beerdigung von Nicole.« Margarete Wollenbeck schwieg einen Moment, schüttelte den Kopf. »Wenn ich ehrlich bin, mache ich mir um Simon mehr Sorgen als um mich selbst. Er schien völlig gebrochen.«
    »Frau Wollenbeck, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«
    »Bitte, Herr Tenge.«
    »Also, das Schicksal Ihrer Tochter lässt mich, seitdem ich ihren Schädel am Weserstrand gefunden habe, nicht mehr los. Mir ist irgendwie als wenn … Ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll. Aber ich fühle mich irgendwie verpflichtet, das Schicksal Ihrer Tochter zu klären.« Harry kam sich ziemlich bescheuert vor, so wie er daherredete.
    Frau Wollenbeck sah ihn verständnislos an. »Sie wollen was?«
    »Nun ja, ich möchte zumindest versuchen zu klären, was damals passiert ist.«
    »Aber das ist doch der Polizei bisher nicht gelungen. Und die Mordkommission ermittelt doch jetzt aufs Neue.«
    »Wissen Sie, ich bin schon sehr lange Polizist und weiß, mit welchem Nachdruck in Bremen Altfälle ermittelt werden. Aktuelle Ermittlungen gehen immer vor. Wahrscheinlich ist es aussichtslos, dass ich mich da jetzt so reinhänge. Aber ich möchte es wenigstens versuchen – als privater Ermittler sozusagen. Ich weiß, das klingt jetzt merkwürdig. Aber seitdem ich Ihrer Tochter gewissermaßen in die Augen gesehen …« Harry brachte den Satz nicht zu Ende, hatte das Gefühl, mit jedem Wort alles nur noch schlimmer zu machen.
    Frau Wollenbeck sah Harry lange an. Es arbeitete in ihr. Harry fürchtete schon, dass sie ihn rauswerfen würde, als sie sagte: »Sie sind ein guter Mensch, Herr Tenge, das sagt mir meine Menschenkenntnis. Sie opfern Ihre Freizeit, um herauszufinden, was mit meiner Nicole passiert ist. Sie handeln sich womöglich eine Menge Ärger ein. Mit Ihren Kollegen, mit Ihren Vorgesetzten, mit der Kripo. Aber ich vertraue Ihnen. Immerhin sind Sie Polizist und kein dahergelaufener Privatdetektiv. Fragen Sie mich, was Sie wollen.«
    »Danke, Frau Wollenbeck«, antwortete Harry und nahm sich ein weiteres Stück Marmorkuchen. Plötzlich konnte er wieder essen. »Vielleicht finde ich ja nichts raus. Aber versuchen will ich es wenigstens. Dazu muss ich noch mehr über Nicole als Mensch erfahren. Wer waren ihre Freunde? Wie war sie? Zurückhaltend? Oder temperamentvoll?« Harry holte Notizblock und Stift aus der Innentasche seines dunklen Wollsakkos, das er sich extra für den Besuch bei Frau Wollenbeck gekauft hatte.
    »Nicole war eher lebhaft. Und freundlich, sehr freundlich. Als kleines Kind grüßte sie alle Menschen, die ihr auf der Straße begegneten. Also, wirklich alle, auch die, die sie nicht kannte.« Frau Wollenbeck schmunzelte.
    »Was war mit Jungs, beziehungsweise mit Männern? Ich meine, ’tschuldigen Sie, aber die meisten Tötungsdelikte sind Beziehungstaten.«
    Nicoles Mutter nickte. »Ihren ersten Freund hatte sie mit sechzehn. Er hieß Sascha Schweighöfer, eine Schülerliebe. Es hielt bis zum Abitur.« Harry notierte sich den Namen.
    »Den Namen brauchen Sie sich nicht aufzuschreiben. Sascha lebt nicht mehr. Verkehrsunfall. Vor drei Jahren. Ein Geisterfahrer ist ihm auf der Autobahn entgegengekommen. Tja, und nach dem Abitur ist Nicole ja ausgezogen. Wissen Sie, wir hatten bloß eine kleine Wohnung in Gröpelingen. Nicole wollte ein wenig selbstständiger werden und ist mit einer anderen Studentin in die Bremer Neustadt gezogen. Und seit sie in der Neustadt wohnte, war der Kontakt nicht mehr ganz so eng. Also, sie kam schon noch zu uns. Aber wie das halt so ist …«
    »In ihr Privatleben hatten sie nicht mehr so genau den Einblick …« Frau Wollenbeck nickte. »Einmal hat sie uns einen jungen Mann vorgestellt. Sehr nett, wenn auch ein wenig sonderbar.«
    »Sonderbar? Wie meinen Sie das?«
    »Nun ja, wie soll ich sagen … Er ließ Nicole nicht aus den Augen, himmelte sie die ganze Zeit verliebt an. Sehr verliebt. Ihr schien das fast ein wenig peinlich zu sein. Und er hatte so eine komische, altmodische Art. Stand immer auf, wenn ich den Tisch verließ. Und dann noch mal, wenn ich wieder

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