Tod eines Mathematikers
gekommen, nach ihm zu suchen«, antwortete Harry.
Matze zückte sein iPhone. »Moment, das haben wir gleich«, sagte er, öffnete den Browser und meldete nur Sekunden später Vollzug. »Hier ist er. BB – Bernward Bollwahn. IT-Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Buntentorsteinweg«, las er laut vor. »Macht also in Computern.«
»Gar keine schlechte Idee, nachdem er schon nicht Mathepauker werden konnte«, fand Alexandra. »Ich glaube, ihr solltet dem mal einen Besuch abstatten.«
»Wir?«, fragte Matze zurück. »Willst du nicht mit?«
Auch Harry sah irritiert aus.
»Ich habe Urlaub eingereicht. Die Nordsee ruft. Meinen Führerschein habe ich doch zurück. Und es war in der letzten Zeit alles ein bisschen viel. Der Tod meines Vaters, Simons Selbstmord. Außerdem glaube ich, dass es besser ist, wenn ihr da alleine hingeht. Wenn Bollwahn damals wirklich versucht hat, meinen Vater zu verklagen, nimmt er bestimmt die Beine in die Hand, wenn er nur den Namen Katzenstein hört.«
»Klingt einleuchtend.«
Tenge nickte und hob sein Glas. »Ich bin übrigens Harry.«
Matze stieß mit ihm an. »Matthias, aber alle nennen mich nur Matze.« Ihre Gläser klirrten leise.
Ali hob ihr Weinglas. »Alexandra.«
*
Sie hat einen flotten Flitzer. Aber keine Garage. So war es ein Leichtes, einen Peilsender an dem Fahrzeug anzubringen. Jetzt weiß er immer, wo sie ist. Jedenfalls fast immer. Neuerdings fährt sie manchmal mit einem Kollegen mit. Ein kleiner Dicker, der merkwürdige Klamotten trägt, die nie richtig sitzen. Er erinnert ihn an einen Schauspieler. Der im Tatort aus Münster den Kommissar spielt. Der Name fällt ihm nicht ein.
*
»Wie möchtest du heißen?«
»Hä? Matthias Grothe heiß ich. Ich möchte keinen anderen Namen.«
»Denk doch mal nach, Mann: Ich kann dich jetzt unmöglich als Matthias Grothe vorstellen. Dein Name steht oft in der Zeitung, da könnte es doch sein, dass Bernie stutzig wird. Und uns rausschmeißt. Völlig zu Recht übrigens.«
»Ach so. Hab ich jetzt gar nicht dran gedacht.«
»Siehste – aber ich.«
»Falls so ’n Nerd überhaupt Zeitung liest. Und selbst wenn: Ich glaub nich, dass sich die Leser Fotografen-Namen merken.«
»Kann natürlich auch sein. Da sollten wir uns jetzt aber lieber nicht drauf verlassen.« Matze warf dem Mann an seiner Seite verstohlen einen bewundernden Blick zu. Dieser Bulle war schon irgendwie ’n cooler Typ. Und er durfte ihn jetzt bei seinen Ermittlungen begleiten. In all den Jahren als Pressefotograf in Berlin hatte er zwar ’ne Menge erlebt. Aber so was nie. Sebastian Schellenberger, sein damaliger Partner, war zwar gut gewesen. Aber die Katzenstein war besser. Viel besser. Und nun steckte er plötzlich selbst mitten in den Ermittlungen zu einem Mordfall. An der Seite eines echten Bullen: Mann, Mann, Mann! So gesehen war Berlin gegen Bremen echt Provinz.
Harry und Matze hatten das Haus im Buntensteintorweg erreicht. BB – IT-Lösungen für kleine und mittelständische Unternehmen stand auf dem Schild, das wie selbst entworfen aussah. Bernward Bollwahn schien auf ein werbewirksames Erscheinungsbild keinen allzu großen Wert zu legen. Oder hatte er das gar nicht nötig?, überlegte Matze. Wahrscheinlich war er im Netz derart präsent, dass ein blank poliertes Messingschild der pure Anachronismus gewesen wäre. Außerdem hätte es nicht mit der graffitiverzierten Fassade des Hauses korrespondiert, in dem noch eine Yogaschule, ein Laden mit indianischer Kunst, ein türkischer Gemüsehändler und ein paar Wohnungen untergebracht waren.
»Halt am besten die Klappe und lass mich reden«, instruierte Harry den Fotografen.
Im Treppenhaus empfing sie ein Duftgemisch aus Essensgerüchen und Bohnerwachs. Matze fühlte sich an Berliner Zeiten erinnert. Mit Wohlbehagen dachte er an sein neues Bremer Domizil und daran, dass es verdammt richtig gewesen war, in die Hansestadt zu ziehen.
Bollwahns Firma residierte im ersten Stock. Über eine knarrende Holztreppe stiegen sie nach oben. Harry klingelte.
»Is offen, einfach reinkommen!«, tönte es von drinnen.
Ein chaotischer, über und über mit Computern vollgestellter Raum empfing sie.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ein blasser Typ, der aussah wie der Inbegriff eines Nerds. Er hob nicht mal den Blick von dem Rechner, mit dem er gerade beschäftigt war.
Harry wurde gleich förmlich. »Oberkommissar Müller, Polizei Bremen«, stellte er sich vor.
Bollwahn zuckte sichtlich
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