Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
Vom Netzwerk:
gucken. Und, wenn sich die Gelegenheit bot, die ein oder andere schlaue Bemerkung vom Stapel lassen, um gleich Kompetenz vorzuschützen. Das würde schon werden mit dem neuen Chef.
    Als ich die Tür öffnete, dachte ich ohne Übertreibung, mein Herz würde stehen bleiben. Vorne, am Kopf des langen Konferenztisches, saß Knut Irgendwas. Er trug Sakko, Jeans, hatte sein Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Trotzdem erkannte ich ihn sofort. Dieses Kratergesicht. Knut Dingsda war der Gitarrist, mit dem ich Neujahr auf dem Billardtisch … Mein Gesicht glühte. Plötzlich wusste ich, dass der Spruch, am liebsten im Boden versinken zu wollen, keine Floskel war. Man konnte sich genau das wirklich wünschen, aus tiefstem Herzen – wie ich jetzt.
    Auch er erkannte mich. Ich sah es in seinem Blick. Nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann redete er weiter, als sei nichts geschehen.
    *
    Ach du Schande, dachte Knut Kossek als er die Rothaarige zur Tür hereinkommen sah. Zum Glück war er ein Meister im Pokerface. Klar, hatte sie ihn erkannt, so knallrot, wie sie angelaufen war. Und wie sie ihn angestarrt hatte. Und nun?
    War ja bisher auch fast alles zu glatt gelaufen. Er war sich sofort mit Dr.   Carmen Schreiber einig geworden. Sein Verleger hatte sich sehr fair gezeigt und ihn sofort, lange vor Ablauf der Kündigungsfrist, ziehen lassen. Natürlich war ihm zugutegekommen, dass Torben-Hendrik Schwabach darauf brannte, den Platz des Lokalchefs einzunehmen. Zum Abschied hatte der Neffe ihm freundschaftlich auf die Schulter geklopft und sich »herzlich für die wunderbare und lehrreiche Zusammenarbeit« bedankt.
    Hals über Kopf hatte Kossek Osnabrück verlassen und war so glücklich gewesen wie lange nicht mehr.
    Und nun das. Er hätte sich einfach damals nicht breitschlagen lassen sollen, bei den Steckbrieflich Gesuchten einzuspringen, weil deren Gitarrist krank geworden war. Aber Carl, sein Bruder, mit dem er Silvester gefeiert hatte und dem die Kneipe gehörte, hatte ihn vollgequatscht, dass das Konzert sonst ins Wasser fallen würde. Also hatte er sich mit ihnen auf die Bühne gestellt. Und nach dem Konzert war, wie zur Belohnung, dieses Wesen aufgetaucht und hatte ihm ein eindeutiges Angebot ins Ohr geflüstert. Die schönste Frau in der ganzen Kneipe. Und die Jüngste. Hätte er da ablehnen sollen? Sich so eine Gelegenheit entgehen lassen? Er hatte kurz mit sich gerungen, aber die Entscheidung war schnell gefallen.
    Am nächsten Morgen hatte er allerdings schon so etwas wie einen Kater gehabt. Nicht, weil er getrunken und gekifft hatte. Oder mit einer Frau geschlafen hatte, deren Namen er nicht mal kannte. Sondern weil er kein Gummi benutzt hatte. Vielleicht war sie schwanger geworden oder er hatte sich Aids geholt. Doch diese Gedanken hatte er schnell verdrängt und die Kleine vergessen. Und nun saß sie hinten im Konferenzraum mit gesenktem Blick und rutschte auf dem Stuhl hin und her.
    Sie musste die Katzenstein sein, die Polizeireporterin. Die Kollegen hatten schon von ihr erzählt. Sie sei eine abgebrühte Witwenschüttlerin, die vor nichts zurückschreckte. Kossek glaubte das sofort. Sie hatte etwas Selbstzerstörerisches an sich, das war ihm schon bei ihrem ersten Treffen aufgefallen.
    Er quittierte das Gelaber der Redakteure und Redakteurinnen mit wohlwollendem Nicken, sagte Sätze wie: »Ja, das ist ein interessanter Ansatz«, hörte in Wirklichkeit gar nicht hin. Ein reines Schaulaufen war das hier, alle buhlten um seine Gunst wie Hofnarren, die den König gnädig stimmen wollten. Es war viel leichter, so eine Konferenz zu leiten, als manche glaubten. Journalisten hörten sich alle gern selbst reden, bestritten solche Besprechungen ganz allein, wenn man sie nur ließ. Am Ende musste er nur noch eine Entscheidung fällen. Oder sagen, dass er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen würde. Bis zur zweiten Konferenz, um vierzehn Uhr, wenn er das Blatt machen müsste, blieben ja noch ein paar Stunden Zeit. Es konnte noch so viel passieren.
    Sie würde ja wohl kaum quatschen, überlegte Kossek. Eine Journalistin, die mit ihrem Chef schlief oder geschlafen hatte, war bei der Belegschaft unten durch. Sie musste, in dieser kleinen, tratschsüchtigen Branche, den Rest ihres Berufslebens damit rechnen, auf das Liebchen vom Boss reduziert zu werden, egal, wie gut sie war.
    Er war eindeutig in der besseren Lage. Er war hier der Chef. Ihr Chef. Kossek grinste. Der Redakteur, der für Umweltthemen zuständig war und

Weitere Kostenlose Bücher