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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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Stiftungsleute sind übrigens erschüttert, dass Sie jetzt das Testament angefochten haben. Damit haben die nach Ihrem Besuch nicht mehr gerechnet. Freitag dachte, Sie wären eine ›unbedarfte Provinzjournalistin‹, wie er sich ausdrückte. ›Die haben wir im Sack‹, sagte er mir am Telefon gleich nach Ihrem Besuch. Ich lag ja krank im Bett und konnte nicht dabei sein, als Sie bei uns waren.«
    Offenbar wusste Mohr nicht, dass ich mich mit Freitag in Bremen getroffen hatte.
    »Na ja, und als ich Ansgar auch noch auf dem Kiez mit diesem Mackenroth gesehen habe, war mir alles klar.«
    »Mackenroth?« Den Namen hatte ich noch nie gehört.
    »Erwin Mackenroth ist ein Lobbyist, der für die Stromindustrie arbeitet. Ein feister Kerl, der manchmal in Talkshows sitzt und gegen die Energiewende pestet. Zu teuer, nicht machbar und so weiter.«
    Mir wurde ganz mulmig zumute. Was Mohr da erzählte, schien Hand und Fuß zu haben. »Ich muss das erst mal alles sacken lassen«, sagte ich.
    Mohr nickte und schob sich eine Scheibe Baguette in den Mund. Seine Finger waren lang und dünn, erinnerten mich an Spinnenbeine. Auf seinem Mittelfinger steckte ein Ungetüm von Silberring. Der aufgefächerte Flügel einer Fledermaus mit weißen und roten Steinen besetzt.
    »Arbeiten Sie auch an der Uni?«, fragte ich Mohr mehr aus Verlegenheit, nachdem er der Kellnerin ein Zeichen gegeben hatte, die Rechnung zu bringen.
    Mohr schüttelte den Kopf. »Ich bin bei einer Rückversicherung, also einer Versicherung für Versicherungen. Mein Spezialgebiet sind Katastrophen. Ich rechne aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit Erdbeben, Hochwasser, Hurrikane oder Vulkanausbrüche passieren.«
    »Und da dürfen Sie so rumlaufen, als feierten Sie schwarze Messen?« Die Frage konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
    Der Vampir grinste. Wenigstens hatte er keine spitzen Eckzähne. »Klar. Nur für die Außendienstler und Mitarbeiter, die Kundenkontakt haben, herrscht Anzug- und Krawattenzwang. Wir Mathematiker gelten als Paradiesvögel.«
    Die Kellnerin kam an den Tisch. »Geht das zusammen?«
    »Ja«, antworteten Mohr und ich wie aus einem Munde.
    »Ich zahle«, fügte ich in einem Ton hinzu, der keinen Widerspruch duldete. Das fehlte noch, dass ich mich von diesem Katastrophenkalkulator einladen ließ. Der Vampir half mir, ganz Kavalier der alten Schule, in den Mantel. Ich ließ ihn gewähren, obwohl ich es eigentlich hasste, wenn Männer mich behandelten, als wäre ich ein unmündiges Frauchen.
    »Woher wussten Sie eigentlich, dass ich Katzensteins Tochter bin?«, fragte ich draußen vor der Tür.
    »Wieso? Sie sehen Ihrem Vater doch total ähnlich. Man sieht sofort, dass Sie seine Tochter sind.«
    Mohrs Antwort versetzte mir einen Stich. »Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt«, sagte Mohr und gab mir seine private Visitenkarte. Ich nickte, steckte die Karte ein. Wir schüttelten uns die Hand. Das Monstrum von Silberring drückte gegen meine Finger. Plötzlich durchzuckte mich die Erkenntnis, dass ich ziemlich in der Klemme steckte: Wenn Mohr recht hatte mit seinem Verdacht, dass dieser Lobbyist und Clooney meinen Vater auf dem Gewissen hatten, gab es jetzt nur noch eine Person, die diese Herren aus dem Weg räumen mussten, um an das wirtschaftliche und wissenschaftliche Vermächtnis meines Vaters zu kommen: mich.
    *
    Kein Zweifel, Martina Fittkau war eine Frau, die es geschafft hatte: Sie wohnte mit ihrer Familie in einem futuristisch anmutenden Bungalow aus viel Glas und Beton direkt an der Elbe. Vor der Garage stand ein Benz, der Zweitwagen vermutlich. Es hatte Harry einige Mühe gekostet, Martina Fittkau ausfindig zu machen. Sie hatte geheiratet, ihren Geburtsnamen Lemke abgelegt, war zehn Jahre in der Schweiz gewesen und erst vor fünf Jahren nach Hamburg zurückgekehrt. Martina Fittkau schien, wenn man dem Internet Glauben schenken sollte, eine große Nummer in der Immobilienbranche zu sein. Sie besaß eine eigene Firma mit dreißig Mitarbeitern. Ihr Mann arbeitete als selbstständiger Technologieberater.
    Die Geschäftsfrau begrüßte Matze und Harry freundlich-distanziert. Obwohl sie zu Hause war, trug sie ein schwarzes Businesskostüm und hohe, schwarze Pumps, die ihre schlanken Beine zur Geltung brachten. Sie hatte blaugraue Augen, feine, ebenmäßige Gesichtszüge, die dunklen Haare zu einem Chignon geschlungen.
    Als Matze und Harry das Wohnzimmer betraten, blickten sie durch ein Panoramafenster direkt auf die Elbe. Ein Containerschiff zog

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