Tod eines Mathematikers
Druck von Paul Gauguin, Fatata te Miti, in ihrem Zimmer aufgehängt. Mit Bernward, das war ihr Freund, wollte sie einen Segeltörn in der Südsee machen. Aber die beiden haben sich vorher gezofft, sodass Bernward alleine fuhr. Nicole hatte für die Reise ewig gespart. Aber ihre Mutter erzählte mir, dass das Geld nach ihrem Verschwinden unangetastet auf ihrem Konto lag. Simon war trotzdem nicht davon abzubringen, dass Nicole ausgestiegen war. Über einen befreundeten Reiseunternehmer checkte er Passagierlisten von Flugzeugen und Schiffen. Als er Nicoles Namen nicht fand, sagte er nur: ›Dann ist sie eben mit falschem Pass gereist.‹ Er nahm sich drei Monate frei, reiste nach Tahiti, auf die Osterinseln, nach Fiji und Samoa, um sie zu finden. Vergeblich. Er wurde immer niedergeschlagener. Trotzdem gab er die Hoffnung nicht auf. Wenn nicht in der Südsee, dann eben irgendwo in Europa.«
»Das klingt aber merkwürdig«, unterbrach Harry Martina Fittkau. »Warum hätte Nicole aussteigen sollen? Sie wollte Lehrerin werden, stand kurz davor, ihr Ziel zu erreichen.«
»Simon meinte, Nicole sei nicht so glücklich gewesen, wie wir alle geglaubt hatten. Sie hätte sich oft bei ihm ausgeweint. ›Mein Leben ist so vorgezeichnet‹, soll sie geklagt haben. Studium. Unterrichten. Heiraten. Kinder. Ich habe Simon das nie ganz abgenommen. Denn mir gegenüber hat Nicole kein Sterbenswörtchen davon gesagt, dass sie weg wollte. Ich glaube, dass Simon sich etwas vormachte, weil er den Gedanken daran, seiner kleinen Cousine könnte etwas zugestoßen sein, nicht ertragen konnte. Er fühlte sich immer wie ihr Beschützer. Wenn ihr was zugestoßen wäre, hätte er sich definitiv die Schuld gegeben. Nicole machte auf mich jedenfalls einen glücklichen, ausgeglichenen Eindruck. Alles war wie immer. Zwei Studentinnen lebten ihr Leben. Mit den üblichen Höhen und Tiefen. Wir dachten, die Studienzeit wird die tollste Zeit unseres Lebens. Das war sie ja auch. Leider dauerte sie bloß knapp zwei Jahre.«
»Tiefen?«, hakte Matze nach.
»Nichts Dramatisches, ich muss Sie enttäuschen, meine Herren«, winkte Martina Fittkau ab. »Die üblichen Probleme in einer Studentenbude halt. Wir hatten Trouble mit der GEZ und Schimmel im WC.«
»Was war mit Männern?«, hakte Harry nach.
»Was soll gewesen sein?«
»Na ja, gab’s vielleicht mal Streit wegen ’nem Typen?«
»Wir waren uns immer einig«, erwiderte Martina Fittkau.
»Sie erwähnten vorhin Bernward Bollwahn.«
»Ja, richtig. Das war Nicoles Freund. War aber nur ein kurzes Techtelmechtel. Komischer Typ, er war völlig fixiert auf Nicole. Nahm ihr die Luft zum Atmen. Sie hat sich dann recht schnell von ihm getrennt. Er hat ihr noch eine Weile nachgestellt, stand vor der Wohnung, wartete auf sie, rief dauernd an. Aber irgendwann gab er Ruhe und Nicole erwähnte ihn nicht mehr.«
»Sagt Ihnen der Name Katzenstein etwas?«
Martina Fittkau schüttelte den Kopf. »Wer soll das sein?«
»Einer von Nicoles Professoren.«
»Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Die Kripo hat mich damals gefragt, ob Nicole ein Verhältnis mit ihm gehabt hätte. Aber das glaube ich nicht. Das hätte sie mir sicher erzählt. Nach Bernward hatte sie die Nase voll von Männern, wollte sich auf ihr Studium konzentrieren. Jedenfalls hat sie das gesagt.«
»Frau Fittkau«, tastete sich Harry langsam vor. »Sie haben offenbar nicht gehört, was mit Simon Schröder passiert ist?«
Martina Fittkau schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm und auch zu Nicoles Eltern nicht. Ist ihm was zugestoßen?« Ihre Stimme hatte einen flehentlichen Unterton angenommen.
Harry nickte. »Simon Schröder hat vor Kurzem Selbstmord begangen. Nicht lange, nachdem Nicoles Schädel gefunden wurde.«
»O nein … Das ist ja furchtbar.« Martina Fittkau rang sichtlich um Fassung. »Ich meine, halten Sie es für möglich, dass er, also …«
»Wir wissen es nicht.« Harry zuckte mit den Achseln.
»Entschuldigen Sie«, sagte Martina Fittkau mit matter Stimme, »ich muss Sie bitten zu gehen. Das war wirklich alles ein bisschen viel …« Sie begleitete die beiden zur Tür.
Auf der Rückfahrt nach Bremen saßen Harry und Matze eine ganze Weile schweigend nebeneinander im Auto. »Nicht schlecht: vom WG-Zimmer in Bremen-Neustadt zur Villa in Hamburg-Blankenese«, sagte Matze schließlich.
Harry warf ihm einen Seitenblick zu. »Neidisch?«
»Ach wo.«
»Mich beschäftigt eher die Rolle von Simon
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