Tod Eines Senators
unter seinen Ellbogen und zog ihn aus der Gefahrenzone.
»Honorius, Silius wird nicht aufgeben. Er wird sein Angebot erhöhen – und beim nächsten Mal, so wage ich zu behaupten, werden Sie es annehmen.«
»Ich sagte Ihnen …«
»Ich weiß.« Helenas Lächeln war seidenweich. »Aber Sie sind ein junger Idealist. Sie wollen gute Arbeit leisten, wollen schlechte Menschen vor Gericht bringen. Der alte Fuchs wird Sie davon überzeugen, dass Arbeit von so hohen Maßstäben nur mit ihm geleistet werden kann. Vergessen Sie einfach nicht, was er wirklich macht – und warum er an Sie herangetreten ist.«
Honorius mochte gehofft haben, von mir mitgenommen zu werden, aber Helena lenkte ihn direkt zur Tür und schob ihn allein in das Unwetter hinaus.
Jetzt wandte sie Ursulina Prisca ihre Aufmerksamkeit zu. »Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind. Ich wollte Sie nämlich etwas fragen. Sie waren doch Hebamme, nicht wahr?«
»Ja, war sie!«, rief Mama.
»Ich versuche eine Amme zu finden …«
»Aber doch nicht etwa für unsere kleine Sosia!«, protestierte Mama laut. Selbst Ursulina sog die Luft ein. Sie musste gewusst haben, dass wir einen Säugling hatten. Sie war oft genug hier gewesen und musste Sosia Favonia brüllen gehört haben.
»Nein, nein, ich stille sie immer noch selbst. Ich würde nicht im Traum daran denken …« Helena erkannte, dass es klang, als wollte sie das Stillen aufgeben. (Ich wusste, dass sie das wollte, was zu ihrem schlechten Gewissen beitrug.) Die Missbilligung von zwei hexenhaften alten Weibern lastete auf ihr. Babyzähne und das Abstillen zu Gunsten von Breinahrung zu erwähnen würde wie besonderes Jammern wirken. Helena machte trotzdem weiter. »Marcus muss in Zusammenhang mit unserem Fall eine Amme befragen …« Das war mir neu, aber ich widersprach ihren Intuitionen nie. »Wenn ich das übernehme, würde sie vielleicht offener sprechen …«
Die Vorstellung, eine andere Frau hinters Licht zu führen, gefiel Mama und unserer prozesssüchtigen Klientin Ursulina gleichermaßen. Solidarität unter Geschlechtsgenossinnen war nicht ihr Stil. Sie waren begierig, Helena zu helfen.
»Kennen Sie Euboules Tochter?«, fragte Helena, während die beiden aufhorchten. »Ich glaube, sie heißt Zeuko.«
Ursulina wich zurück. Sie spielte ihr Entsetzen wie ein abgehalfterter Mime am unbeliebtesten Tag eines lahmen und staubigen Festes. »Es sei mir fern, schlecht über andere Menschen zu reden …«
»Ach, machen Sie schon!«, drängte Mutter boshaft.
»Das sind üble Frauen.«
»Was ist denn an Zeuko so schlimm?«, meinte Helena mit gerunzelten Brauen. »Ist sie schmutzig? Faul? Trinkt sie?«
»Oh, sie ist durchaus kompetent, würden manche sagen.«
»Sie hatte hochrangige Kundinnen.«
»Das sind Dummköpfe. Ihre Mutter ist eine Legende, und ich würde Zeuko nicht mal eine tote Ratte in Pflege geben.« Ursulina Prisca erschauerte dramatisch. »Ich kann Sie zu ihr bringen. Aber nehmen Sie ja nicht Ihre eigenen Kinder mit – könnte sein, dass Sie dann Ihre kleinen Lieblinge nie wiedersehen.«
Helena bat Mama, auf Sosia und Julia aufzupassen, aber Mama, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Gewohnheit, behauptete rasch, das könne Albia machen. »Wenn du die Amme besuchst, gehe ich mit.«
Kein Wunder, dass ich Privatschnüffler war. Neugier lag mir im Blut.
Der Tragestuhl wurde gebracht. Ich wurde zu meiner hoffnungslosen Mission davongetragen. Inzwischen würde sich beim Prätor eine lange Schlange von Bittstellern gebildet haben. Und ich hatte immer noch Hundehaare auf meiner Toga.
XLVII
Zeit: Nachmittag
Ort: Wachlokal, Aventin
Gegenstand: Gespräch zwischen L. Petronius Longus, Vierte Kohorte der Vigiles, und M. Didius Falco, Privatermittler
Stimmung: deprimiert
»Wie war dein Vormittag?«
»Grässlich.«
»Ist Procreus aufgetaucht?«
»Nein.«
»Hat der Prätor dich empfangen?«
»Nein.«
»Anklage fallen gelassen?«
»Nein.«
»Morgen wieder hin?«
»Bleibt mir nichts anderes übrig. Irgendwelche guten Nachrichten für mich?«
»Leider nicht.«
»Irgendwelche Fortschritte von der Zweiten?«
»Nein. Perseus ist noch nicht gefunden worden, und mit dem Verwalter tut sich nichts. Ist ein Freigelassener. An den können sie nicht ran. Haben ihn bedroht – aber dann hat er ihnen mit einer Beschwerde beim Kaiser gedroht.«
»Er könnte freiwillig reden.«
»Er sagt Nein, dazu sei er zu loyal.«
»Wem gegenüber?«
»Er ist zu loyal, das zu verraten.«
»Dann
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