Tod Eines Senators
Ich bemerkte, dass sie die Hündin hereingelassen hatte. Nux versuchte es mit einem scharfen Bellen bei dem Fremden, verlor aber dann den Mut und kam zu mir, um mich abzuschlecken. Helena räumte leise das Geschirr auf einen niedrigen Serviertisch. Ich zündete weitere Öllampen an. Ich wollte Negrinus wissen lassen, dass er hier bleiben würde, bis er alles ausgepackt hatte.
»Gut, gehen wir ein Stück zurück. Ihr Vater wurde übler Praktiken für schuldig befunden, die mit Ihren Pflichten als Ädil zu tun hatten. Sie wurden damit in Verbindung gebracht, aber nicht angeklagt. Haben Sie dazu etwas zu sagen?«
Negrinus seufzte unruhig. Er musste an diese Frage gewöhnt sein. »Nein, Falco.«
»Tja, das wird natürlich darauf abfärben, wie man Sie einschätzt. Dessen sind Sie sich doch wohl bewusst? Als Nächstes ist da der Blödsinn mit Ihrer Schwester Juliana und dem Apotheker. Sie ist davongekommen, aber auch das malt nach Ansicht des Gerichts das Wort ›Mord‹ über die gesamte Familie.«
»Paccius weiß, dass mein Vater eigentlich keinen Selbstmord begehen wollte.«
»Sie haben darüber gesprochen, nachdem er seinen Prozess verloren hatte?«
»Ja.«
»Dann wird Paccius das bestimmt vor Gericht anführen«, mischte Helena sich ein. »Ein Ankläger mit persönlichen Kenntnissen? Das Gericht wird alles glauben, was er vorbringen wird. Hat Paccius Ihrem Vater direkt geraten, sich umzubringen?« Ihre Stimme war leise, sie täuschte über ihre starken Gefühle hinweg.
»Ja.«
»Und was hielten Sie davon?«
»Ich wollte Vater nicht verlieren. Wir standen uns nahe. Aber ich kann wohl das Argument verstehen, nicht unser gesamtes Geld verlieren zu wollen …« Doch seine Stimme schwankte, als er das sagte.
»Wenn Sie sich nahe standen und Sie Ihren Vater gern hatten – können wir dann annehmen, dass Sie glaubten, er hätte Sie auch gern?«, fragte ich.
»Das dachte ich.« Negrinus sprach in demselben verzagten Ton, in dem er bisher geantwortet hatte. »Das habe ich stets geglaubt.«
»Und warum hat er Sie dann aus seinem Testament ausgeschlossen?«
Eine leichte Röte färbte die helle Haut des Mannes. Für Rothaarige ist es stets schwer, ihre Gefühle zu verbergen, aber die Zeichen zu interpretieren ist nicht immer leicht. »Ich weiß es nicht.«
»Sie müssen doch eine Ahnung haben.«
Er schüttelte den Kopf.
»Mir ist klar, dass Sie das mitnimmt, aber Paccius wird Sie verhören, wenn Sie Ihre Aussage machen.«
Er starrte mich an. »Sie wissen, was er vorhat?«
»Er wollte mich heute Abend anheuern, um nach Ihnen zu suchen. Er sagte, Ihr Schmerz darüber, aus dem Testament gestrichen worden zu sein, sei Ihr Mordmotiv. Das ergibt Sinn. Natürlich waren Sie verärgert. Sie sind der einzige Sohn. Hier geht es nicht nur um Geld, Vögelchen, es geht um Ihre gesellschaftliche und häusliche Stellung. Es geht darum, wer die religiösen Verpflichtungen in Ihrer Familie übernimmt, wer die Ahnen ehrt, wer den Familiengöttern Opfer bringt. Sie haben erwartet, die Rolle Ihres Vaters zu übernehmen.«
»Ha!« Zum ersten Mal sprach Vögelchen unaufgefordert. »Es hätte mich eher freuen sollen, dass Papa mir nicht seine ganzen Schulden vermacht hatte.«
Das kann eine Abschreckung für Erben sein – ein Vermächtnis, das dem Haupterben volle Verantwortung für alle hinterlassenen Schulden einbringt. Hohe Schulden können das Erbe übersteigen. Unter solchen Umständen seufzen gute Männer und nehmen die Bürde auf sich. Erben, die kein großes soziales Gewissen haben, versuchen, das Vermächtnis auszuschlagen. Die meisten Erben, heißt das.
»Gab es viele Gläubiger?«
»Seine Schulden gingen in die Tausende.«
»Wovon einiges angezweifelt wird – die Entschädigung für Silius, die Rückzahlung der Mitgift Ihrer Exfrau … Trotzdem, das würde endlosen Ärger für den Erben bedeuten. Also«, sinnierte ich, »ist dieses Testament ein geschickter juristischer Schachzug? Hat Ihr Vater Sie strategisch schützen wollen?«
Ein verschlagener Ausdruck huschte über Vögelchens Gesicht. »Vielleicht hat er das!«, rief er jetzt erregt.
»Haben Sie eine Ahnung«, fragte ich ihn direkt, »wie Sie ihn nach Paccius’ Meinung umgebracht haben?«
»Mit Schierling, würde ich sagen.«
Ich warf Helena einen Blick zu. Schierling war bereits von Saffia, der schwangeren Exfrau, erwähnt worden. »Das ist sehr präzise«, sagte Helena.
Vögelchen verstummte.
Ich stützte mich auf meinen Ellbogen und streichelte Nux.
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