Tod Eines Senators
dem das Verlangen lag, von mir zum Mittagessen eingeladen zu werden, damit er die sensationelle Notiztafel in Augenschein nehmen konnte. Angesichts seiner brüsken Behandlung von Honorius weigerte ich mich, ihm den Gefallen zu tun. Danach schauten wir alle in unsere Notizen, als würden wir prüfen, ob es nicht noch ein paar andere triviale Punkte gab, die wir einwerfen konnten, um uns von ernsthaften Dingen abzulenken. Dingen wie Gerechtigkeit für den Unschuldigen.
Beide Seiten fanden nichts, also gingen wir alle nach Hause.
Zu meiner Überraschung traf die Kopie innerhalb von zwei Stunden ein. Das Testament befand sich auf den Innenseiten von zwei Wachstafeln. Das ist normal. Es war so kurz, dass nur eine Tafel beschrieben war. Metellus senior hatte Paccius Africanus zu seinem Erben bestimmt und ihm damit seine sämtlichen Schulden und Verantwortungen übertragen, plus des religiösen Gewahrsams der Ahnenmasken und Hausgötter der Familie. Metellus hatte jeder seiner beiden Töchter eine kleine Summe vermacht, nach Abzug ihrer Mitgift. Sowohl sein Sohn als auch seine Frau waren ausdrücklich aus dem Erbe ausgeschlossen, obgleich beiden eine sehr geringe lebenslange Unterhaltszahlung zugestanden wurde. Und ich meine sehr, sehr gering. Ich hätte davon leben können, aber ich war einst fast verhungert und an Küchenschaben als Mitbewohner gewöhnt. Jeder, der in senatorischem Luxus aufgewachsen war, hätte die Zuwendung als äußerst knapp empfunden.
Alles andere ging an Paccius, der das Geld als Ganzes an Saffia Donata zu übergeben hatte.
»Das ist merkwürdig.« Honorius nahm es auf sich, als Erster einen Kommentar abzugeben. »Wir müssen dieses Testament einem Experten zeigen. Silius benutzt einen …«
»Der alte Fungibel soll der Beste sein«, fuhr Justinus ihm ins Wort. »Wir sollten jeden meiden, der mit der Gegenseite zusammenarbeitet, Falco.«
»Der alte Fungibel?«, krächzte ich.
Aelianus warf klugscheißerisch ein: »Fungibilien. Austauschbare Dinge, oft verzehrbar … Vermutlich ein Spitzname.«
»Wo kommt dieses austauschbare Nahrungsmittel her?«, fragte ich, immer noch nicht überzeugt.
»Ursulina Prisca.« Justinus grinste.
»Oho! Dann erzähl mir mehr über ihn«, wies ich ihn an und grinste ebenfalls. Honorius erklärten wir nicht, was es mit unserer streitsüchtigen Witwe auf sich hatte. »Ich gehe mit dem Testament zu ihm. Aelianus kann mitkommen.« Honorius schaute verärgert. Tja, Pech für ihn. Er war unser Jurist, aber ich musste die gute Beziehung zu meiner eigenen Mannschaft wieder aufbauen. Nach dieser Abfuhr für Honorius wurden die Camilli munterer. Justinus bot an, weitere Herbalisten aufzutreiben, immer noch auf der Suche nach dem Verkäufer des Metellus-Schierlings.
Justinus weitete seine Suche jetzt vom Wall in immer größer werdenden Kreisen aus. Dieses ermüdende Rumlatschen konnte noch Wochen dauern. Gut möglich, dass er nie den richtigen Verkäufer fand. Und selbst wenn, gelang es ihm vielleicht nicht, den Mann zu einer Zeugenaussage vor Gericht zu bewegen. Aber für Justinus war es zur Herausforderung geworden.
»Und was kann ich tun?«, jammerte Honorius kläglich.
»Machen Sie sich mit den Fakten vertraut. Planen Sie Ihre Argumente für unseren Auftritt vor Gericht.«
»Ein Verteidiger, der mit dem Fall vertraut ist? Das wäre ja mal was ganz Neues!«, höhnte Aelianus.
Honorius schaute ihn an. »Ich schätze, Sie sind der gefühllose Satiriker von Falco und Partner.«
»Nein, das ist meine Schwester«, gab Aelianus zurück. »Wenn Helena Justina Ihren beruflichen Wert einschätzt, werden Sie sich hinterher wie eine rohe Traubenschale nach dem Keltern fühlen.«
Er ließ es so klingen, als würde er sich darauf freuen, Honorius zu Maische zerstampft zu sehen.
Ich wies Honorius an, sich bei den Senatsschreibern wichtig zu machen und einen Prozesstermin für Vögelchen zu bekommen.
Wie das bei Experten so ist, war der alte Fungibel ein junger Spund – kein Siebzigjähriger, wie ich erwartet hatte. Eher an die dreißig, obwohl er wie vierzig aussah. Er war eine kleine graue Maus, die in einem Einzimmerkabuff lebte und arbeitete, in einer Seitenstraße zwischen Möbelschreinern und Metallhandwerkern. Die Bude war spartanisch; der Mann wirkte besessen. Er war farblos, aber eindeutig äußerst intelligent. Meiner Schätzung nach war er bereits in jungen Jahren Sklave eines Anwalts gewesen. Man musste ihm zugetraut haben, detaillierte Arbeiten
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