Tod eines Tenors
Versicherung«, antwortete Evan. »Aber man wird wissen wollen, warum Sie einen Forstweg hochgefahren sind.«
»Ich habe mich verfahren«, sagte das Mädchen. »Ich bin falsch abgebogen, und dann konnte ich, bis ich zum See kam, keinen Platz zum Wenden finden.« Sie klang, als legte sie sich gerade eine Aussage zurecht.
Sie gingen eine Weile schweigend weiter. »Müssen wir denn nach Llanfair zurück? Ich würde lieber nicht«, sagte sie.
»Sie können die Meldung vermutlich bei jeder beliebigen Polizeistation machen. Wo haben Sie den Wagen geliehen?«
»Heathrow.«
»Und wo wohnen Sie?«
»Eigentlich nirgendwo. Letzte Nacht habe ich im Auto geschlafen.«
»Aber wo leben Sie?«
»Ich habe bisher keinen festen Wohnort.«
»Und Ihre Eltern?«
»Die leben in Surrey. Machen Sie sich keine Sorgen, ich kriege das schon geregelt. London ist prima. Ich kenne dort Leute.«
»Ich bringe Sie nach Bangor runter«, sagte Evan. »Wir besorgen Ihnen ein paar trockene Sachen, dann können Sie Ihre Meldung machen, und dann setzen wir Sie in einen Zug zurück nach London.«
»Ich habe überhaupt kein Geld«, sagte das Mädchen. »Meine Geldbörse liegt noch im Auto.«
»Ich leihe Ihnen das Fahrgeld. Sie können es mir zurückschicken.«
»Ich weiß gar nicht, warum Sie so nett sind«, sagte sie plötzlich.
»Das ist mein Beruf«, antwortete Evan. »Und Sie sollten lieber dafür dankbar sein, dass ich es war, der Sie gefunden hat. Sie hätten leicht in der Psychiatrie landen können - für eine gründliche medizinische Untersuchung. Das macht man nämlich bei Selbstmordversuchen so.
Aber ich entscheide im Zweifelsfall zu Ihren Gunsten. Nennen wir es einen Unfall, aber nur, wenn Sie versprechen, nie wieder eine derartige Dummheit zu machen.«
5. KAPITEL
Evan blieb mitten in seinem Zimmer plötzlich wie angewurzelt stehen. Ein seltsames weißes Nachthemd war auf seinem Bett ausgebreitet.
»Was um alles ...«, begann er.
Augenblicklich tauchte Mrs. Williams hinter ihm auf. »Ach, da sind Sie ja, Mr. Evans. Es tut mir ja so leid. Ich hatte gehofft, Sie wären früher zurück. Er bestand darauf, Sie zu sehen, oder besser: sie.«
»Wer bestand darauf, Mrs. Williams?«
Sie schaute schnell über ihre Schulter und zischte: »Die Powell- Jones. Er zieht hier ein, solange seine Frau ihre Mutter pflegt. Und Mrs. Powell-Jones bestand darauf, dass ihr Mann dieses Zimmer bekommt, weil das nach hinten raus klamm ist und er allergisch gegen Feuchtigkeit und Schimmel ist.«
Hilflos breitete sie die Arme aus. »Ich wollte Ihre Sachen nicht anrühren. Sie wollte alles ausräumen, aber das habe ich nicht zugelassen. Ich hoffe, Sie verstehen das, es ist nur für eine kurze Zeit.«
»Ist schon gut, Mrs. Williams«, sagte Evan, obwohl er sich nicht allzu glücklich bei dem Gedanken fühlte, in einen Raum umzuziehen, der offenbar mit Schimmel überzogen war. Aber er kannte die Wirkung, die Mrs. Powell-Jones auf Leute haben konnte. Sie hatte die gleiche Wirkung auf ihn: Es war schwer, ihr gegenüber nein zu sagen.
»Oh mein Gott, diolch am hynny, mir fällt ein Stein vom Herzen«, seufzte Mrs. Williams und legte erleichtert eine Hand auf ihren üppigen Busen. »Ich habe mich schrecklich aufgeregt, weil ich mir Sorgen machte, wie Sie es wohl aufnehmen würden. Ich sagte ihr, Sie hätten Vorrechte, aber sie wollte einfach nicht zuhören.«
»Wo sind die beiden jetzt?« Evan schaute zur Tür.
»Legen letzte Hand in ihrem Haus an, bevor die neuen Leute morgen einziehen. Anschließend kommt der Reverend zum Abendessen hierher zurück.«
»Ich bin nicht da«, sagte Evan. »Ich führe Bronwen zum Essen aus.«
»Wie nett!« Mrs. Williams Gesicht leuchtete auf. »Ich freue mich, das zu hören. Sie ist ein reizendes junges Mädchen - vielleicht ein bisschen zu ernst für meinen Geschmack. Zu viel Vogelbeobachtung und nicht genug Tanz, aber man kann schließlich nicht alles haben. Unsere Sharon ist natürlich eine zauberhafte kleine Tänzerin ... so leichtfüßig ... Sie haben sie noch nie tanzen sehen, Mr. Evans, nicht wahr?«
»Ich bringe mal eben meine Sachen ins andere Zimmer, Mrs. Williams«, sagte er schnell.
Am Sonntagmorgen erwachte Evan in der ungewohnten Düsternis des Hinterzimmers und schnupperte. Sonntagmorgen bedeutete Sonntagsfrühstück, seine Lieblingsmahlzeit der Woche. Er sah auf die Armbanduhr. Gewöhnlich stiegen um diese Zeit aus der Küche köstliche Düfte von Würstchen und gebratenem Speck zu seinem Zimmer herauf.
Weitere Kostenlose Bücher