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Tod eines Tenors

Tod eines Tenors

Titel: Tod eines Tenors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rhys Bowen
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war kurz nach elf, als Evan endlich Mrs. Williams Eingangstür aufschloss. Jetzt bemerkte er, dass er nicht zu Abend gegessen hatte und entsprechend hungrig war. Mrs. Williams würde inzwischen längst zu Bett gegangen sein, aber vielleicht hatte sie ihm ja etwas in den Ofen gestellt; der Gedanke an verdorrtes Gemüsepüree war allerdings nicht gerade verlockend. Er ging in die Küche, schnitt sich einige Scheiben Brot und eine Ecke Käse ab. Dann goss er sich noch ein Glas Milch ein.
    Evan fühlte sich endlich wieder wie ein Mensch, als er die Treppe hoch schlich, jedes Mal verharrend, wenn eine Stufe knarrte. Reverend Powell-Jones hatte ihn schon mehr als einmal darauf hingewiesen, dass er einen leichten Schlaf habe, und wenn er erst einmal aufgeweckt worden sei, niemals wieder Ruhe fände.
    Evan hatte das Ende der Treppe gerade erreicht, als die Tür am Anfang des Flurs aufflog, in ihr stand wie ein Racheengel der Pfarrer in seinem weißen langen Nachthemd. »Junger Mann!«, dröhnte Reverend Powell-Jones, sich offensichtlich wenig darum kümmernd, ob er Mrs. Williams weckte. »Sie und ich müssen miteinander reden.«
    »Worüber?« Evan beäugte ihn misstrauisch. Mit seinen Knubbelknien, die unter dem Nachthemd hervorragten, war der Pfarrer nicht gerade eine der attraktivsten Erscheinungen, die Evan in letzter Zeit gesehen hatte - die Leiche eingeschlossen.
    »Ihr Alkoholproblem.«
    »Mein was?« Evan hätte nicht erstaunter sein können. »Wie kommen Sie auf die Idee, ich hätte ein Alkoholproblem?«
    »Ich möchte meinen, das ist doch offensichtlich«, fuhr Reverend Powell-Jones fort. »Jeden Abend Ihres Lebens verbringen Sie in der Kneipe. Sie wanken die Treppe herauf, um -« er sah auf seine Armbanduhr, »- fünf nach halb zwölf, und dann bestreiten Sie auch noch, dass Sie ein Alkoholproblem haben. Kommen Sie, junger Mann, seien Sie mutig. Sehen Sie den Tatsachen ins Auge. Sie werden sich viel besser fühlen.«
    Evan unterdrückte den starken Wunsch, ihm einen Hieb zu versetzen. »Mr. Powell-Jones«, begann er und versuchte ruhig und gelassen zu bleiben. »Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass ich jeden Abend im Pub verbringe, weil Sie mein Haus übernommen haben und ich von Ihrem Dozieren und faden Essen die Nase voll habe? Und was heute Abend betrifft - ich komme gerade von einem Unfallort, wo ich bis vor zwanzig Minuten meine Arbeit gemacht habe. Ich habe mein Abendessen verpasst. Ich habe meinen Drink im Pub verpasst. Ich bin müde und extrem schlecht gelaunt, und jetzt gehe ich ins Bett.«

    Er ging in Richtung seines Schlafzimmers davon. Hinter sich hörte er Reverend Powell-Jones etwas wie »Nein, daran hab ich nie gedacht« murmeln. Dann fiel ihm noch etwas ein, und er drehte sich um.
    »Noch eine Sache, Reverend. Es war Ihr Haus, in dem die Person getötet wurde. Sie müssen vermutlich damit rechnen, wegen Beihilfe verhört zu werden!«
    Damit betrat er sein Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich zu. Ein breites Grinsen stand ihm im Gesicht.
    »Jetzt fühle ich mich entschieden besser«, sagte er laut.

10. KAPITEL
    »Grauenvoll, einfach grauenvoll!« Mrs. Williams stand mit einer Tasse Morgentee an Evans Bett.
    »Grauenvoll«, wiederholte sie noch einmal. Es war eines der wenigen englischen Wörter, die sie wegen ihrer Ausdruckskraft den walisischen unter allen Umständen vorzog. »Der arme Mann, dahingerafft in der Blüte seiner Jahre.« Evan nahm den Tee. »Wie haben Sie davon erfahren?« »Von Evans-dem-Milchmann. Er hat es von Mrs. Hopkins, die die ganze Sache mit angesehen hat.«
    »Die ganze Sache mit angesehen?« Evan setzte sich auf. Gab es möglicherweise einen Augenzeugen?
    »Sie konnte all diese Polizeiautos ja schlecht übersehen, oder? Und dann wurde der arme Kerl aus dem Haus getragen«, erläuterte Mrs. Williams. »Und seine arme Frau soll ihn gefunden haben, als sie nach Hause kam.«
    Evan nickte.
    »Ich nehme an, Sie müssen früh da sein, um die Neugierigen im Zaum zu halten«, sagte sie.
    »Sind denn schon Leute da?« Er versuchte aufzustehen.
    »Nur aus dem Ort. Noch keine Reporter, aber ich erwarte, dass welche kommen werden. Er war schließlich ein berühmter Mann. Man erzählt, er sei gestürzt und habe sich den Schädel eingeschlagen.
    Ich habe dieses Kamingitter bei den Powell-Jones' nie leiden können.«
    Evan stand auf und griff nach seinem Rasierzeug. Heute Morgen musste er einmal vor Mr.
    Powell-Jones ins Badezimmer kommen.
    »Ich hoffe, seine Familie lässt ihn

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