Tod eines Tenors
unter voller Beflaggung.
Evan folgte ihr.
»Mrs. Powell-Jones ist gekommen, um sich im Haus umzusehen«, sagte er zu der neuen Schicht von Polizeibeamten, die jetzt am Gartentor standen. Blitzlichter zuckten auf, und Mikrofone wurden auf sie gerichtet. »Hey, gnädige Frau! Das ist Ihr Haus, richtig?«, fragte eine Stimme mit amerikanischem Akzent. »Irgendwelche Techtelmechtel bemerkt, während sie hier waren? Hat er sich Puppen ins Haus geholt?«
Mrs. Powell-Jones drehte sich um und sah ihn derart vernichtend an, dass er das Mikrofon sinken ließ. Dann setzte sie ihren Weg fort und betrat ungehindert das Haus.
»Hmm«, sagte sie, als Sergeant Watkins sie ins Wohnzimmer führte.
»Ist Ihnen etwas aufgefallen, Madam?«, fragte er.
»Sie haben die Möbel umgestellt.«
»Wirklich?«
»Dieser kleine Tisch stand immer auf der anderen Seite. Er passt überhaupt nicht da hin, wo sie ihn jetzt aufgestellt haben. Manche Leute sind wirklich dreist. Ich habe ausdrücklich gesagt, ich möchte, dass alles so bleibt, wie es ist...«
Watkins nickte den Männern der Spurensicherung zu, den Tisch zurückzustellen.
»Aha«, rief einer von ihnen aus und kniete sich hin. »Sie hat Recht. Hier ist er wahrscheinlich hingefallen. Das hier sieht doch nach Blutflecken aus, oder?«
»Das würde mit dem Weg übereinstimmen, auf dem er durchs Zimmer geschleppt wurde«, stimmte der andere zu. »Warten Sie, bis ich ein paar Proben genommen habe. Dann müssen wir die Blutflecken fotografieren, aber ich würde sagen, genau hier ist er gefallen.«
Mrs. Powell-Jones sah erstaunt von einem zum anderen. »Wollen Sie damit sagen, dass er gar nicht gestürzt ist und sich den Kopf an meinem Kamin aufgeschlagen hat? Jemand hat ihn dorthin geschleppt? Aber warum?«
»Das werden wir zweifellos bald herausfinden, Madam«, sagte Sergeant Watkins gelassen. »Sehen Sie sich jetzt bitte genau um. Wurde noch irgendwas anderes umgestellt? Fehlt etwas?«
Sie untersuchte schweigend den Raum, dann stieß sie plötzlich einen entsetzten Schrei aus.
»Allerdings fehlt etwas! Eines meiner wertvollsten Besitztümer - die Bronzefigur eines fliegenden Adlers. Sie stand immer hier, auf der Anrichte.« Mit dramatischer Geste deutete sie auf die Stelle, wo jetzt eine harmlose Obstschale stand.
Watkins warf Evan einen Blick zu. »Eine Bronzefigur. Am besten, wir durchsuchen den Garten und das Gelände rund ums Haus.«
Evan verzichtete auf den Hinweis, dass das Gelände rund um das Haus aus mehreren hundert Quadratkilometern zerklüfteter Berge bestand. Wer auch immer eine Bronzefigur loswerden wollte, konnte sie in unzählige Bäche oder Schluchten werfen, über Klippen befördern, unter Büschen verstecken oder gar in einem der verlassenen Minenschächte verschwinden lassen. Manche Gegenden waren zudem so schwer zugänglich, dass ein Gegenstand gute Chancen hatte, niemals gefunden zu werden.
»Stellen Sie sicher, dass ich sie sofort wieder zurückbekomme, Sergeant«, sagte Mrs. Powell-Jones.
»Sie gehörte meinem Großvater. Es ist ein Familienerbstück von unschätzbarem Wert.«
»Wir werden unser Bestes geben, Madam. Das verspreche ich Ihnen«, erwiderte Watkins. Er brach ab, als er auf einen Tumult draußen aufmerksam wurde. Stimmen wurden lauter. Eine Autotür schlug zu. Evan rannte hinaus und sah den schwarzen Mercedes vor der Polizeiabsperrung warten. Ein junger Mann in Jeans und einem schwarzen T-Shirt war eben ausgestiegen.
»Wir sind seine Familie«, erklärte er dem regungslosen Polizisten. »Sie haben meine Mutter zum Flughafen geschickt, mich abzuholen, und verlangt, dass wir sofort wieder zurückkommen. Hier sind wir nun.«
Evan starrte den Neuankömmling an. Er war ein schlanker junger Mann mit einem sehr kurzen Haarschnitt, wie er auf dem Kontinent üblich war. Er hatte ein kantiges, jungenhaftes Gesicht und eine arrogante Ausstrahlung. Evan hatte ihn schon einmal gesehen, da war er sich sicher. Aber wo?
Die Stimme des jungen Mannes übertönte die allgemeine Geräuschkulisse, als er schrie: »Jetzt nehmen Sie um Gottes willen dieses verfluchte Band weg!«
Die Stimme war ihm vertraut - eine junge, ärgerlich erhobene Stimme. Eine zuschlagende Autotür und ein junges Mädchen, das schrie: »Hau ab, Justin!«
Das war es! Er hatte Justin zuvor schon zweimal gesehen - einmal, als er sich mit einem jungen Mädchen in der Powell-Jones'schen Zufahrt gestritten hatte, und ein weiteres Mal am Ufer eines Sees, als ein Auto ins Wasser fuhr.
14.
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