Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
einer Barkasse. Der zweite von hinten war jung.
Hätte der Herr Hauptkommissar seine Mailbox nicht versehentlich angestellt, dann wüsste sie vielleicht, was Jürgen Kröger am Morgen erzählt hatte.
Pit Gernhardt stand in dem Moment in der Hamburgischen Notarkammer und nahm einige Hürden, um dann endlich zu erfahren, wie der Notar im Dornbusch hieß.
Nick stand vor Veras Tür, und auch Anni war nicht da.
Vera stand vor der Kaffeebar und wusste noch immer nicht, wer Gerrys Vater war.
Sie winkte ein Taxi herbei.
Keiner von ihnen ahnte, wo eine Frau namens Irmela gerade stand und was sie zu tun plante.
Hätten sie es zu verhindern versucht?
Als Erster hätte Gerry das zu verhindern versucht.
Doch Gerry wachte gerade erst auf.
Nach zweitägigem Schlaf.
Hätte Gertrud Köpke ihnen allen noch was zu sagen gehabt? Das hätte sie. Doch es wäre nur ihre Wahrheit gewesen. Eine andere kannte sie nicht.
Sie starb in dem Glauben, dass ihr Mann die eigene Tochter geschwängert hatte. Eine Schande. Endlos groß.
Seinen verzweifelten Beteuerungen, Gerdi nicht angefasst zu haben, hatte sie nie Glauben geschenkt.
War er nicht ein gottloser Mann, der sich fern gehalten hatte von der Gemeinde, der sie ihr Leben anvertraute?
Und dennoch hatte sie ihm ein ordentliches Grab bereitet, einen Stein darauf gesetzt. Ihre Tochter lag namenlos.
Gerdi, das Lamm, das geopfert worden war.
Wäre alles anders gekommen, wenn Gerdi ihr Schweigen beendet hätte und den Vater des Kindes genannt?
Nein. Sie hätten Gerdi verbluten lassen.
Gertrud Köpke saß auf dem senffarbenen Sofa. Ihr Kopf war seitlich auf die Lehne gesunken. Irmela hatte nicht viel Kraft gebraucht, um ihr den Atem zu nehmen.
Tage sollte es noch dauern, bis der Herr Hauptkommissar sie dort sitzen sähe. Vorher hatte er andere Türen aufgebrochen.
Doch an dem Tag, an dem er die tote alte Frau fand, wusste er schon, dass ein Racheengel in der Stadt war.
Gerry hatte die Gestalt zum Fenster gehen sehen, doch er schrak zusammen, als das Verdunkelungsrollo nach oben schnellte und er den Herrn Notar erkannte.
Die Augen des Herrn Notar schienen zu lächeln hinter den dicken Gläsern der Brille. Doch die Stimme war kalt.
»In einer Mission unterwegs?«, fragte er.
Ein Hohn für den Jungen, der da auf der Pritsche kauerte, die Hände nach hinten gebunden. Den Mund verklebt.
»Glaubst du, mich bekehren zu müssen?«
Gerry atmete tief. Der Brief hatte den Herrn Notar erreicht.
»Du weißt, dass du büßen wirst.«
Der Herr Notar lachte.
»Geld gibt es nicht mehr dafür«, sagte er, »nicht für dich.«
Welch Unglückseliger führte die Kartei weiter? Von H bis Z.
»Ich habe uns was mitgebracht.«
Gerry hatte die Tasche nicht gesehen, die an der Wand lehnte. War der Herr Notar durch die Wand gegangen?
Gab es eine Tür, gut getarnt, und hinter ihr lagen die vertrauten zwei hohen Zimmer?
Ölbilder mit sterbenden Hirschen.
Ein Kalender vom vorletzten Jahr.
Eine Tasche aus schwarzem Leder stand an die Wand gelehnt. Eine große Tasche, die oft zum Grundbuchamt getragen worden war und zum Amtsgericht, als der Herr Notar noch ein Notar gewesen war.
Das Schloss aus silberfarbenem Metall schnappte auf.
»Du stirbst mir hoffentlich nicht daran«, sagte der Herr Notar.
Stacheldraht, den er hervorzog.
Gerrys Herz fing schneller an zu schlagen.
Das Herz von Age war einfach stehen geblieben.
»Der karottenhaarige Kindskopf ist vor lauter Schreck gestorben «, sagte der Herr Notar.
Er rollte den Stacheldraht ab. Gerry sah erst jetzt, dass er Handschuhe trug.
»Doch du hältst das aus.«
Gerry schloss die Augen, als ihm die Hose heruntergerissen wurde. Er wollte nicht weinen. Er kämpfte dagegen an.
»Wir wollen es noch lange schön miteinander haben«, sagte der Herr Notar. Er legte den Stacheldraht um Gerrys Glied.
Die Tränen schossen nun doch in Gerrys Augen.
»Würde«, sagte der Herr Notar, »du hast viel von Würde geschrieben in deinem Brief.«
Der Herr Notar zog langsam zu.
»Ich erinnere mich«, sagte Vera, »er saß neben uns, als ich Gerry das erste Mal im Glitzertaukleid auf der Bühne sah.«
Sie saß an Nicks Küchentisch und betrachtete den Abzug, den Nick dort hingelegt hatte.
»Du glaubst, das ist der Notar?«, fragte sie.
»Komischerweise mit dicker Brille«, sagte Nick. »Das waren deine Worte, als Pit nach dem Notar fragte. Dass du ihn dir mit dicker Brille vorstellst.«
Vera nickte. »Ich habe vermutlich den alten Knaben hier im Kopf
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