Tod für Don Juan
erbauten
Häuser haben keine eigene Garage, und so manches laienhaft beschriftete Schild
am Gehsteig oder neben der Einfahrt bittet höflich, droht düster oder fleht mit
einem rührenden «Bitte» die Summertown-Pendler an, ihre Fahrzeuge nicht ausgerechnet
an dieser Stelle zu parken. Vergeblich.
Die Straßen gleichen
arteriosklerotisch verengten Adern, durch die sich der Lebenssaft nur noch
mühsam einen Weg bahnt.
Dr. Kemp aber fährt nicht mehr
Auto...
Jeder, der die beiden
angesehenen Wissenschaftler Theodore Kemp und Cedric Downes zum ersten Mal
sieht, käme wohl zu einem ähnlichen Urteil. Bei Kemp drängen sich
möglicherweise Attribute auf wie künstlerisch, extravagant, intellektuell,
ichbezogen, arrogant, ausschweifend — die Liste ließe sich nach Belieben
verlängern —, und dieser Eindruck ergäbe sich vornehmlich aufgrund des etwas
hochfahrenden Ausdrucks in dem blassen Gesicht, der affektierten
Oberschicht-Diktion, der Vorliebe für Seidenhemd und Fliege, der lässigen
Eleganz der hellen Anzüge, die er sommers wie winters für seine schlanke,
zierlich gebaute Figur bevorzugt. Und Downes? Bei ihm ist der erste Eindruck
bei weitem nicht so klar und eindeutig. Träge Bewegungen, leichtes Übergewicht,
Ausbildung in einer nicht ganz zur ersten Garnitur gehörenden Privatschule, ein
etwas gelangweilter Zug um den Mund, die Andeutung eines humorvollen
Augenzwinkerns, recht frische Farben, eher schwere Anzüge mit meist ziemlich
faltenreichen Hosen, ziemlich langes, strähniges Haar und ein leichtes Nölen in
der Stimme, die noch in Andeutungen die Herkunft aus den Midlands verrät.
Überall Einschränkungen — alles «ziemlich», «etwas», «einigermaßen». Dazu das
vielleicht Schwerwiegendste: Die nickt zu übersehende Tatsache, daß er
etwas—oder vielleicht auch mehr als etwas — schwerhörig ist. Denn immer
deutlicher wird, daß er Gesprächspartner auf seine rechte Seite bittet, häufig
die Hand hinters rechte Ohr hält und gelegentlich eine von der Krankenkasse
wegen seiner rasch fortschreitenden Otosklerose bewilligte Hörhilfe benützt.
Nun könnte man aus dem
Vorgesagten folgern, das Leben im allgemeinen und hier in Oxford im besonderen
sei für Kemp eitel Freude und Sonnenschein, wohingegen dem eher unscheinbaren,
weltverdrossenen Downes allmählich die Luft — und wohl auch das Glück —
auszugehen drohte. Doch wäre diese Folgerung nicht ganz zutreffend, ja sie wäre
von der Wahrheit sogar ein gutes Stück entfernt.
Kemps Leben hatte sich nicht
den frühen Hoffnungen entsprechend entwickelt. Nachdem er (wie gerüchtweise
verlautete) fast so viele illegitime Nachkommen gezeugt hatte wie Göttervater
Zeus und sich vor der Verantwortung für eine derart exzessive Mehrung der
Bevölkerung in den meisten Fällen erfolgreich hatte drücken können, hatte er
eine etwas unscheinbare, aber figürlich durchaus gefällige junge Frau namens
Marion geheiratet, deren Eltern dem Vernehmen nach recht gut betucht waren. Vor
zwei Jahren hatte er dann mit seinem BMW einen so schweren Unfall verursacht,
daß seine nicht allzu reizvolle, dafür aber hochschwangere Frau ihr Kind
verloren hatte und am ganzen Unterkörper gelähmt blieb, während er selbst mit
einem gebrochenen Schlüsselbein und ein paar Schnittwunden im Rücken
davongekommen war. Immerhin aber hatte Marion überlebt. Die Fahrerin des
anderen Wagens, eine neunundzwanzigjährige verheiratete Frau, war auf der
Stelle tot gewesen. Die Schuldfrage konnte nicht eindeutig geklärt werden, da
sich bei der gerichtlichen Untersuchung herausstellte, daß ein Teil des
Beweismaterials mehrdeutig und alles andere als sachgemäß gesichert war. Daß
Kemp getrunken hatte, stand fest, und er war schließlich nicht wegen grob
fahrlässiger oder gefährlicher Fahrweise, sondern «nur» wegen Alkohol am Steuer
zu einer Geldstrafe und drei Jahren Fahrverbot verurteilt worden. Etliche
Freunde und Bekannte, die meisten seiner Kollegen und alle, die ihn noch nie
hatten leiden können, waren der Meinung, er sei sehr glimpflich davongekommen.
An dieser starken Front gegen ihn lag es wohl auch, daß sein College ihm die
damals gerade freiwerdende Fellowship versagt hatte. Sechs Wochen nach dieser
Demütigung war er zum Abteilungsleiter für angelsächsische und mittelalterliche
Kunst im Ashmolean ernannt worden. Er bewohnte jetzt eine Erdgeschoßwohnung in
der Wohnanlage Cherwell Lodge, einem Backsteinbau an der Water Eaton Road, die
sich vom Ende der
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