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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Victoria Road zum Cutteslowe Estate erstreckt. Der Umzug —
seiner Frau zuliebe, die auf eine rollstuhlgerechte Wohnung angewiesen war —,
fiel in die für Immobiliengeschäfte ungünstigste Zeit, und seine Wohnung war
zur Zeit kaum mehr als ein Viertel von dem wert, was sein Kollege, dem
vorübergehend der Name eines dänischen Architekten entfallen war, für sein Haus
hätte verlangen können.
    Vor fünf Jahren, mit Vierzig,
hatte Cedric Downes die ebenso sympathische wie attraktive Lucy geheiratet, die
elf Jahre jünger war als er, blond und hellhäutig, mit reichlich Busen und
reichlich Sex gesegnet. Daß sie gelegentlich nervös und huschelig war und ihr
Intelligenzquotient von den meisten Leuten bei der ersten Bekanntschaft
ziemlich hoch angesetzt, bei längerer Bekanntschaft aber meist nach unten
korrigiert wurde, fiel dagegen nicht weiter ins Gewicht. Downes war Mediävist
und Fellow in Brasenose und bewohnte ein großes Einfamilienhaus am Ende der
Lonsdale Road, dessen gepflegter Garten bis zum Fluß reichte.
    Im Schlafzimmer von Cherwell
Lodge Nummer 6 lag im ehelichen Doppelbett Marion Kemp wohl oder übel
regungslos auf dem Rücken. Es wäre für beide günstiger gewesen und hätte beiden
zu längerem, ruhigerem Schlaf verholfen, wenn sie sich nach dem Unfall für
getrennte Betten, vielleicht sogar für getrennte Schlafzimmer entschieden
hätten. Erstaunlicherweise hatte ihr Mann davon nichts hören wollen. Zuerst
hatte Marion das gefreut, es hatte ihr geschmeichelt, daß er nach wie vor
bereit war, Nacht für Nacht neben ihrem nutzlosen Körper zu liegen. Und an
jenem Donnerstag abend hatte sich der Haß, der seit langem in ihrer Seele
schwelte, vielleicht sogar ein ganz klein wenig gelegt.
    Er war, ganz wie er es
versprochen hatte, um zehn — kaum alkoholisiert! — nach Hause gekommen, hatte
ihr einen Becher Ovomaltine und einen Keks gebracht und eindeutig an diesem Tag
keine Zwischenstation bei dieser ordinären Schnapsdrossel Sheila Williams
gemacht.
    Im Gegensatz zu Lucy Downes
vermittelte Marion Kemp zunächst nicht den Eindruck einer geistig regen jungen
Frau. Wer sie aber gut kannte (und dieser Kreis wurde immer kleiner), wußte um
ihren wachen Intellekt, ihre gute Beobachtungsgabe. Sie hatte Theo aufmerksam
beobachtet, als er ihr von den Ereignissen dieses Abends berichtete, und hatte
deutlich seinen Frust, seine tiefe Enttäuschung gespürt. Sie selbst weinte dem
Verlust des Wolvercote-Dorns keine Träne nach und empfand auch keinen großen
Kummer über den Tod einer mit kostspieligen Klunkern behängten alten Schachtel
aus Amerika. Dennoch fand sie in den frühen Morgenstunden des Donnerstag keinen
Schlaf. Zu viele Gedanken stürmten auf sie ein. Vor allem machte ihr der immer
stärker werdende Verdacht zu schaffen, daß der Mann, der neben ihr schlief,
jetzt über diese verdammte Williams hinaus ein weiteres Ziel anpeilte.
    Und Marion glaubte auch zu
wissen, wohin sein begehrlicher Blick sich richtete.
    Cedric Downes war an jenem
Donnerstag abend erheblich später als sonst heimgekommen. Fast als letzter
hatte er bei der Polizei seine Aussage über die bewußte Zeitspanne von halb
fünf bis Viertel nach fünf gemacht, sie hatten ihn aus einem Tutorium holen
müssen. Als er dann endlich ins Schlafzimmer kam, war dort alles still. Lucy
lag in ihrer Betthälfte und rührte sich nicht. Er schmiegte sich sanft an sie,
vielleicht spürte sie ja, wie sehr er sie brauchte, aber als er — sehr bald! —
begriffen hatte, daß sie ablehnend reagierte und ihr der Sinn offenkundig nicht
nach Zweisamkeit stand, drehte er sich auf die rechte, seine Schlafseite. Da er
auf dem linken Ohr immer schwerhöriger wurde, drückte er bewußt das rechte Ohr
tief ins Kissen und hörte dann praktisch nichts von dem nächtlichen Ächzen der
Zentralheizungsrohre, dem unerklärlichen Knarren der Dielen oder dem Rauschen
des Windes in den hohen Fichten. Seine Gedanken verweilten kurz bei den
Ereignissen dieses Abends, bei seiner heftigen Abneigung gegen Kemp, aber nach
ein paar Minuten spürte er den Sog der warmen Flut, die ihn rasch in die Tiefen
des Schlummers hinabzog.
    Nicht so seine Frau, die noch
immer ruhig und gleichmäßig atmete und nicht den kleinsten Muskel rührte.
    Tief und fest hingegen schlief
in jener Nacht Sheila Williams, — bei weit geöffnetem Schlafzimmerfenster in
der vergammelten Doppelhaushälfte, die — auf dem unteren Stück der Hamilton
Road gelegen — von Kemp wie von Downes etwa gleich

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