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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Schlaftrunk?»
    «Kommt nicht in Frage. Wenn ich
nämlich nicht aufpasse, wenn ich wirklich noch etwas trinke, ja, vielleicht
sogar wenn ich auch nur eine weitere Minute bliebe, ohne etwas zu
trinken, könnte es sein...» Morse machte eine unbestimmte Handbewegung, leerte
sein Glas, stand auf und ging zur Tür.
    «Sie hätten bestimmt Spaß
daran.»
    «Eben! Genau das ist ja meine
Sorge...»
    «Und warum — »
    Sheila hatte sich nicht von
ihrem Platz gerührt, und Morse sah von der Tür her noch einmal zu ihr zurück.
«Wissen Sie das wirklich nicht?»
    Als er ein paar Minuten später
in die Banbury einbog und wieder leidlich vernünftig denken konnte, fragte sich
Morse, ob seine Zeugin ihm die volle Wahrheit gesagt hatte. Zehn Minuten zuvor,
bei der Rückfahrt nach St. Aldate’s, hatte sich Lewis im Hinblick auf Mrs. Kemp
dieselbe Frage gestellt, zumal es doch recht erstaunlich war, daß eine Frau,
die so offenkundig ihren Mann haßte, auf die Nachricht von seinem Tod mit so
tiefer Verzweiflung reagiert hatte.
     
     
     

25
     
    Eisenbahnfahren
ist für mich nicht Reisen, sondern das An-einen-Ort-expediert-Werden und damit
kaum etwas anderes, als würde man selbst zum Paket. (John Ruskin, Modern
Painters)
     
    Im Präsidium trafen sich Morse
und Lewis um 7.45 Uhr zum Erfahrungsaustausch. Beide waren hundemüde, mochten
es aber nicht zugeben, und einer der beiden hatte außerdem noch Kopfschmerzen,
über die er sich ebenfalls ausschwieg. Der Jaguar hatte heute früh vor seiner
Tür gestanden, die Schlüssel fanden sich unter dem Türvorleger, aber weil Morse
so müde und verkatert war, hatte er sich kein Wort des Dankes abgerungen.
    Immerhin — die Pläne für den
Vormittag nahmen allmählich Gestalt an. Das größte Problem war natürlich, was
man mit der Reisegruppe machen sollte, die eigentlich um halb zehn hätte
aufbrechen und nach Stratford-upon-Avon weiterfahren sollen. Sie mußten
unbedingt die Amerikaner noch einmal vernehmen und sie insbesondere zu ihren
Aktivitäten in der entscheidenden Phase zwischen Kemps Ankunft in Oxford und
dem Umtrunk vor dem Abendessen befragen, an dem bis auf Eddie Stratton offenbar
alle teilgenommen hatten. Ein Mitglied der Gruppe würde, nach dem schriftlichen
Reiseplan für Oxford gefragt, passen müssen, denn der in der Badeanstalt gefundene
gelbe Bogen war inzwischen bei der Spurensicherung gelandet und mochte
vielleicht sogar den einen oder anderen neuen Hinweis liefern. Doch auch wenn
sich keine Fingerabdrücke fanden, auch wenn einige Reisende ihre Bogen schon
weggeworfen oder verlegt hatten — allzu viele Amerikaner, die ihre Sieben mit
dem auf dem Kontinent üblichen Querstrich schrieben, gab es sicher nicht. Dann
würden sie sich Cedric Downes vornehmen, und er würde eine überzeugende
Erklärung dafür liefern müssen, warum und wann er das Hotel verlassen hatte.
    Von Max hofften sie die mehr
oder weniger definitive Todesursache zu erfahren, und es bestand sogar die —
zugegebenermaßen recht vage — Möglichkeit, daß der Arzt über seinen eigenen
Schatten springen und eine ungefähre Todeszeit nennen würde.
    Als Lewis eine Stunde später am
Steuer des Wagens saß, der ihn und Morse nach Oxford brachte, war er trotz
aller Probleme seltsamerweise mit sich und der Welt recht zufrieden. Er fand es
immer besonders spannend, mit anzusehen, wenn Morse wie vor einer Mauer stand.
Dann war es, als sähe er Morse beim Lösen eines besonders kniffligen
Kreuzworträtsels zu (was er häufig tat): Vor dem Chief Inspector lag das leere
Kreuzgitter, in das er rasch und sicher den größten Teil der Lösungsworte
eintrug, während es Lewis vorbehalten blieb, hin und wieder ein noch fehlendes
Wort beizusteuern, das kinderleicht war, auf das aber Morse beim besten Willen
nicht gekommen wäre. Vielleicht gelang es ihm ja auch bei diesem Fall wieder,
ein kleines, aber entscheidendes Teilchen in das Puzzle einzufügen. Immerhin
hatte er auf eigene Faust bereits eine Art Mini-Kreuzworträtsel gelöst und
erstattete jetzt Morse Bericht. Die erste Hälfte von Kemps Tag war
höchstwahrscheinlich etwa so verlaufen:
    Verläßt das Haus ziemlich früh,
um einen Besuch bei seinem Verlag zu machen. Das Taxi holt ihn gegen 7.20 ab,
vermutlich will er den Zug um 7.59 nehmen, der um 9.03 in Paddington eintrifft.
Er rechnet offenbar nicht mit einer längeren Besprechung in London, da er in
Aussicht gestellt hat, zum Mittagessen und am Nachmittag der Reisegruppe im Randolph zur Verfügung zu

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